Um die 19. Woche herum (das entspricht einem Alter von 4 Monaten und 2 Wochen) werden unsere Kinder wieder einmal schwieriger. Sie schlafen deutlich schlechter, wollen nachts fast jede Stunde an die mütterliche Brust, weinen tagsüber sehr viel häufiger oder liegen wie nörglige kleine Omas und Opas auf der Decke und haben an allem und jedem etwas auszusetzen. Sie sind seeehr anhänglich und wollen eigentlich rund um die Uhr auf Mamas Arm getragen werden. Andere Menschen werden angstvoll angebrüllt, sie fremdeln.
Am schlimmsten ist eigentlich das Stillen - wenn ich nicht darauf vorbereitet gewesen wäre, dass es um den 4. Monat herum eine Stillkrise gibt, ich glaube, ich hätte aus Unwissenheit abgestillt. Meine Töchter waren beim Trinken sehr unruhig, oft haben sie die Brustwarze in den Mund genommen und angefangen zu trinken, haben aber dann keine Minute später losgelassen, um den Kopf irgendwo hin zu drehen und zu gucken. Sie waren super leicht ablenkbar und konnten sich gar nicht richtig aufs Trinken konzentrieren. Sie hatten aber weiterhin Hunger und wurden immer unruhiger und nöliger, versuchten wieder anzudocken, aber in ihrer Hast gelang es nicht. Puh!
Abhilfe schaffte das Stillen im Liegen in einem abgedunkelten Raum bzw., wenn ich unterwegs war, ein Tuch über Schulter und Kopf, so dass sie visuell nicht so abgelenkt waren. Zu dem Problem der Abgelenktheit hinzu kam, dass ich (wie fast alle Frauen in dieser Zeit) ein paar Tage lang zu wenig Milch hatte, da sich durch den Entwicklungsschub des Kindes der Milchbedarf sprunghaft erhöht. So kommt die Brust erstmal nicht mit der Produktion hinterher. Häufigeres Anlegen und Ruhe bewahren helfen aber dabei, diesen kurzfristigen Milchmangel zu überwinden, nach spätestens drei Tagen hat sich das Angebot dem Bedarf wieder angepasst. Nur nicht zufüttern in der Zeit, vertraut eurem Körper, der schafft das. Das Baby muss auch nicht hungern, wenn ihr jetzt alle Stunde beidseitig anlegt, kommt genug raus - später steigt ihr wieder um auf einen zwei- oder dreistündigen Rhythmus...
Ohne Frage, wir Eltern wissen bereits, was los ist: Herr Ningel und Herr Nörgel stehen vor unserer Tür. Und das Schlimmste - diesmal ziehen sie lange bei uns ein!
Wie lange dauert der Sprung?
Fünf unendlich lange Wochen kann dieser Sprung laut van de Rijt dauern (ca. 14. - 19. Woche) (van de Rijt, 2005: 24). Bei uns waren es fast sechs und ich muss ehrlich sein: Diese Zeit hat mich fast um den Verstand gebracht. Ich mache keine Scherze. Ich dachte, ich werde nie wieder glücklich. Ständig nur unzufriedene Babys - mir ist fast die Decke auf den Kopf gefallen.
Letzten Endes haben mich lange Spaziergänge durch den eiskalten, schneereichen Winter gerettet. Ich hatte immer eine Tochter in der Manduca und bin gelaufen, gelaufen, gelaufen, bis zum Coffeeshop. Bis dahin war das nörgelige Baby vor meinem Bauch eingeschlafen. Dann huschte ich schnell rein - mein Kaffee stand dank mitfühlender Barista meist schon bereit - denn länger als fünf Minuten durfte ich nicht verweilen, da meine Tochter sonst aufwachte und weinte. Wenn ich Glück hatte, gestatteten mir Herr Ningel und Herr Nörgel eine kurze Verschnaufpause auf der kalten Bank vor dem Coffeshop. Manchmal aber auch nicht. Dann regte sich das Baby, sobald ich saß, und ich sprang auf, um schnell weiterzulaufen und sie wieder in den Schlaf zu wiegen. Ich wollte alles, alles dafür tun, damit sie nur ja nicht zu schnell aufwachte und ich dann wieder ihr Genörgel in den Ohren hatte.
Mir wurde in der Zeit übrigens ein Schrittzähler geschenkt: 30000 Schritte am Tag waren keine Seltenheit. Sollte ich nochmal ein Baby bekommen, werde ich in der Zeit Geocaching gehen, das verbindet das Spazieren wenigstens mit einem sinnvollen Ziel.
In diesem Entwicklunggsschub nutzte ich übrigens das erste Mal mein persönliches Mantra ("Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten.") - auch das half, die schwere Zeit irgendwie durchzustehen.
Welchen Reifeprozess macht das Baby durch?
Nach van de Rijt "springt" das Kind nun in die Welt der "Ereignisse". Nach dem letzten Schub konnte es - wir erinnern uns - "fließende Übergänge" von "Mustern" erkennen, jedoch nur einen fließenden Übergang, dann hielt es erstmal inne. (vgl. van de Rijt, 2005: 123). Nun ist es in der Lage, eine Reihe von Mustern und fließenden Übergängen wahrzunehmen bzw. selbst zu erschaffen. Einen Ball, der vor ihm auf und ab springt, beobachtet es jetzt voller Vergnügen, denn es sieht nicht mehr nur "Ball oben. Ball unten. Ball oben. Ball unten." sondern erkennt nun den gesamten Vorgang als ein Ereignis. Wir Erwachsenen wissen bereits, dass das, was wir sehen, das Ereignis "springender Ball" ist, unser Baby lernt dies nun mit 19. Wochen (vgl. ebd, 2005: 125).
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Helene Souza / pixelio.de |
Deshalb beobachten unsere Kinder in diesem Alter am allerliebsten uns, wie wir alltägliche Dinge tun: Das Umrühren der Suppe ist ein spannendes Ereignis. Das Kämmen der Haare ist ein faszinierendes Schauspiel. Das Mobile, das über dem Kopf hängt und sich im Wind bewegt, ist eine interessante Angelegenheit. Der Papa, der mit dem Staubsauger im Raum auf und ab läuft, wird zum aufregenden Abenteuer.
Motorisch frühe Kinder haben nun ihren Körper so weit unter Kontrolle, dass sie sich vom Rücken auf den Bauch drehen können. Wir erinnern uns - die Babys lernen, ein "Ereignis", also eine Abfolge von Mustern und Übergängen zwischen den Mustern, selbst zu erschaffen. Das Drehen auf den Bauch ist so ein Ereignis. Eine Abfolge von körperlichen Mustern (Beine nach oben werfen, Hüfte drehen, Rückenmuskeln anspannen etc.) müssen fließend ausgeführt werden, um den Körper herumzuwuchten (vgl. ebd., 2005: 131).
Eine meiner Töchter schaffte dies tatsächlich sofort nach dem Sprung. Sie hatte sich vor dem Sprung bereits in einer Bewegung auf die Seite drehen können, es fehlten nur noch ein paar Millimeter, bis sie sich ganz gedreht hätte. Am Beginn des Schubs stellte sie ihre Bemühungen jedoch völlig ein. Sie drehte sich nicht einmal mehr auf die Seite, geschweige denn versuchte sie, sich weiter zu drehen. Nach exakt 6 Wochen wurde sie von einem auf den anderen Tag wieder gut gelaunt - und drehte sich komplett auf den Bauch als hätte sie nie etwas anderes getan. Dort lag sie dann und war sehr stolz auf sich.
Meine andere Tochter wartete übrigens mit dem Drehen vom Rücken auf den Bauch bis zu ihrem sechsten Monat - also keine Panik, wenn eure Kinder nicht gleich nach diesem Sprung ihre neu erworbenen Fähigkeiten ausprobieren. Sie sind dann eben an anderen Dingen interessiert. Besagte Tochter zum Beispiel lag lieber auf dem Rücken und brabbelte kurze Abfolgen von Vokalen und Konsonanten vor sich hin. Meine motorisch frühe Tochter hat das in diesem Alter nie gemacht.
Auf den Bauch gedreht und stolz darauf |
Meine andere Tochter wartete übrigens mit dem Drehen vom Rücken auf den Bauch bis zu ihrem sechsten Monat - also keine Panik, wenn eure Kinder nicht gleich nach diesem Sprung ihre neu erworbenen Fähigkeiten ausprobieren. Sie sind dann eben an anderen Dingen interessiert. Besagte Tochter zum Beispiel lag lieber auf dem Rücken und brabbelte kurze Abfolgen von Vokalen und Konsonanten vor sich hin. Meine motorisch frühe Tochter hat das in diesem Alter nie gemacht.
Einige wenige Babys schaffen es übrigens nach kurzer Zeit (ein paar Wochen) auch, sich wieder zurückzudrehen. Es ist aber nicht ungewöhnlich, wenn sie dies nicht sofort tun. Was habe ich mir für Gedanken gemacht, weil meine motorisch fitte Tochter es einfach nicht schaffte, sich wieder vom Bauch zurück auf den Rücken zu drehen. Erst mit sage und schreibe 11 Monaten gelang es ihr dann. Mittlerweile weiß ich, dass das völlig im Rahmen ist.
Die meisten Kinder können nun Gegenstände bewusst greifen und diese mit den Händen untersuchen. Da sie durch den Sprung ihren Körper noch weiter unter Kontrolle bekommen haben (also die neuronalen Anlagen für motorische "Ereignisse" angelegt wurden), können sie nun geschmeidig z.B. eine Rassel vom Boden aufheben, rasseln, von einer in die andere Hand geben und dann in den Mund stecken (vgl. ebd., 2005: 127).
Sprachmotorisch geht es in der Welt der Ereignisse um das Produzieren neuer Laute in einer Abfolge, die fast wie ganze Sätze klingen. Babys mögen es jetzt ganz besonders, den Brei, den sie nun zumeist bereits beigefüttert bekommen, auszuprusten. Pfffffffffff....und schon hat Mama Pastinake im Gesicht und das Kind freut sich ein Loch in den Bauch. "Abgewöhnen" kann man ihm diesen Entwicklungschritt nicht. Es ist auch nur eine kurze Phase, insofern gilt das Motto: "Augen zu und durch." Vielleicht ist es ratsam, in dieser Zeit keine besonders teuren Blusen oder Anzüge anzuziehen (vgl ebd., 2005: 1289).
Kognitiv hat sich in diesem Sprung eine Menge getan. Ganz besonders faszinierend fand ich, dass unsere Babys nun die geistige Fähigkeit entwickelt haben, zu verstehen, dass ein Spielzeug weiter existiert, auch wenn es nicht mehr ganz zu sehen ist. Sie beginnen, nach ihren Sachen zu suchen, wenn diese zum Beispiel durch eine Windel halb verdeckt sind oder vor ihren Augen zugedeckt werden. Sie ziehen dann an der Windel, um das Spielzeug aufzudecken.
Wenn man sein Baby nun öfter mit seinem Namen anspricht, reagiert es übrigens bald darauf, denn es fängt an, einzelne Wörter zu verstehen und mit dem Abbild des Gegenstandes kognitiv zu verbinden. Das ist nicht nur sein eigener Name, sondern auch andere oft gebrauchte Wörter wie Teddy, Ball, Mama oder Papa. Sind diese häufig an einem bestimmten Ort zu finden, guckt das Baby interessiert dort hin, wenn der Name des Gegenstandes fällt (vgl. ebd, 2005: 138).
Hinweis: Sollte dein Baby all diese Sachen noch nicht machen, ist das kein Grund zur Beunruhigung. Nach diesem Sprung sind zwar die neuronalen Anlagen für diese Fähigkeiten gelegt, aber wann diese durchbrechen und ausgeführt werden, entscheidet allein das Kind selbst. Also nicht ungeduldig werden - es wird kommen, sei es morgen oder in ein paar Monaten.
Beliebte Spiele
Wie ich schon in den vorangegangenen Texten betonte, brauchen unsere Kinder keine spezielle Förderung, da sich die natürlichen Bedürfnisse und Wünsche immer ihren Weg von selbst bahnen, wenn dem Kind die Freiheit gewährt wird, diese auszuleben. Man kann aber selbstverständlich als Elternteil seine Spiele so anpassen, dass sie zu dem jeweiligen kognitiven Entwicklungsschub passen.
Ab diesem Sprung beschäftigen sich unsere Kinder sehr gern mit sogenannten Activity Centern. Bei den meisten liegen die Kinder auf dem Rücken darunter und versuchen, die oben hängenden Gegenstände zu greifen. Um aber die Bauchlage zu üben und den Stützapparat zu trainieren ist es wichtig, einen Spielebogen zu finden, an dem das Kind auch in Bauchlage genügend Spielmöglichkeiten findet. Am besten fand ich persönlich ein uraltes Activity Center von Fisher Price (vom Flohmarkt), welches man an die Gitterstäbe des Laufstalls kletten oder flach vor das Kind auf den Boden legen konnte. An der darauf befindlichen Wählscheibe, den Schiebern und Glöckchen konnten sich meine Kinder wirklich intensiv beschäftigen.
Um dem Baby die Bauchlage etwas zu erleichtern, kann man ein dünnes Handtuch zusammenrollen und längs unter die Achseln und den Oberkörper des Babys platzieren. Noch lieber hat es das Kind, wenn man sich als Elternteil auf den Rücken legt und das Baby auf den Bauch auf sich drauf. Dann kann es ganz fasziniert und ohne viel Mühe in der Bauchlage in unser Gesicht gucken und dieses mit dem Händen untersuchen. Natürlich wird man dabei extrem vollgesabbert.... aber das erträgt man ja gern.
Auch ein einfacher Spiegel wird für unsere Babys nun zunehmend interessant: Hält man ihnen in Bauchlage einen Spiegel vor, wird das "fremde" Baby darin intensiv beobachtet und angefasst. Man kann sehr gut das Erstaunen und die Neugier unserer Kinder an den Augenbrauen ablesen. Guckt sie euch genau an: Hebt euer Baby für eine Sekunde die Augenbrauen (es sieht kurzzeitig erstaunt aus), ist seine Aufmerksamkeit gerade auf dem Höhepunkt, das Spiel macht ihm sehr viel Spaß.
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altes Activity Center von Fisher Price |
Um dem Baby die Bauchlage etwas zu erleichtern, kann man ein dünnes Handtuch zusammenrollen und längs unter die Achseln und den Oberkörper des Babys platzieren. Noch lieber hat es das Kind, wenn man sich als Elternteil auf den Rücken legt und das Baby auf den Bauch auf sich drauf. Dann kann es ganz fasziniert und ohne viel Mühe in der Bauchlage in unser Gesicht gucken und dieses mit dem Händen untersuchen. Natürlich wird man dabei extrem vollgesabbert.... aber das erträgt man ja gern.
Auch ein einfacher Spiegel wird für unsere Babys nun zunehmend interessant: Hält man ihnen in Bauchlage einen Spiegel vor, wird das "fremde" Baby darin intensiv beobachtet und angefasst. Man kann sehr gut das Erstaunen und die Neugier unserer Kinder an den Augenbrauen ablesen. Guckt sie euch genau an: Hebt euer Baby für eine Sekunde die Augenbrauen (es sieht kurzzeitig erstaunt aus), ist seine Aufmerksamkeit gerade auf dem Höhepunkt, das Spiel macht ihm sehr viel Spaß.
Versteckspiele mit Mama und Papa gehören in diesem Alter zu den Höhepunkten des Babytages. Man kann eine dünne Mullwindel auf den Kopf des Babys legen, wenn es bei uns auf dem Schoß in en face Stellung sitzt. Automatisch wird es versuchen, diese wieder von seinem Kopf zu ziehen, auch, wenn es ihm schwer fällt und nicht immer gelingt. Wenn wir dabei lustig "Wo ist denn der/die ....?" rufen und das Herunterziehen des Tuches mit einem freudigen "Daaaaa!" begleiten, wird es bald merken, dass dies ein Spiel ist und immer wieder danach verlangen. Als Variation können die Eltern sich selbst oder ein Spielzeug verdecken und danach fragen. Auch das klassische "Kuckuck!" spielen mit den Händen macht Spaß und darf, wenn es nach unseren Babys geht, unendlich oft wiederholt werden.
Immer beliebter werden Lieder und Reime, die mit bestimmten Bewegungen verbunden werden. Diese kann man sehr leicht immer beim Wickeln in den Alltag einfügen. Meine Kinder mochten besonders "Kommt ein Mann die Treppe rauf", "Kommt ein Mäuslein, baut ein Häuslein" und "Zehn kleine Zappelmänner". Es gibt aber unendlich viele dieser Fingerspiele - probiert einfach ein paar aus.
Das Buch
Wer mehr über diesen und weitere Entwicklungssprünge wissen möchte, dem sei das Buch "Oje ich wachse" von Hetty von de Rijt, Frans X. Plooij und Regine Brams aus dem Goldmann-Verlag ans Herz gelegt:
Hinweis: Dieser Blog-Artikel beruht ausschließlich auf dem obigen Buch von Hetty von de Rijt, Frans X. Plooij und Regine Brams, alle von mir referierten Inhalte sind darin wiederzufinden.
Weitere Entwicklungssprünge
Die anderen Entwicklungssprünge findest Du hier:
Der Entwicklungsschub in der 5. Woche
Der Entwicklungsschub in der 8. Woche
Der Entwicklungsschub in der 12. Woche
Der Entwicklungsschub in der 26. Woche
Der Entwicklungsschub in der 37. Woche
Der Entwicklungsschub in der 8. Woche
Der Entwicklungsschub in der 12. Woche
Der Entwicklungsschub in der 26. Woche
Der Entwicklungsschub in der 37. Woche
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