
Neulich im Garten – ein Dialog zwischen meiner Tochter (5) und meinem Sohn (2):
Sie: (ermutigend) „Los Du Pups! Das schafft du schon!“
Er: (empört) „Bin ich nicht Pups!“
Sie: (kichernd) „Bist Du wohl, Du Kackawurst!“
Er: (empörter) „Bin ich auch nicht Wurst!“
Sie: (kichernd) „Klar scheiße Wurst!“
Er: (kräht) „Cheise? Cheise! Cheise!“
Sie: (empört) „Scheiße sagt man nicht! Du Pupskackawurst“
Aaaaaarrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrgggggggggggggggggggggghhhhhhhhhhhhhhhhhhh!
Seit Wochen ist hier der "Pups" los. Lieder werden abgewandelt - von „Alle meine Pupse“ bis hin zu „Fuchs du hast den Pups gestohlen“. Fast jedes entsprechende körperliche Ereignis wird vom Kleinen stolz vermeldet mit „Hab ich gepupst!“. Die Große rülpst absichtlich in ohrenbetäubender Lautstärke und beide Kinder lachen sich darüber kringelig.
Mich nervt das! So richtig. Und wahrscheinlich bin ich selber schuld. Im Grunde weiß ich ja, dass das eine vollkommen normale Phase ist, die fast ausnahmslos jedes Kind hat. Mir ist bewusst, dass das Faszinierende an der Fäkalsprache nicht die Worte selbst sind, sondern die Reaktion der Mitmenschen. Auf diese Worte reagiert nämlich jeder, absolut jeder. Andere Kinder mit verstohlenem Gekicher, Erwachsene mit Irritation. Und es ist natürlich extrem interessant, Wörter gefunden zu haben, mit denen man so verlässlich Reaktionen hervorrufen kann.
Plötzlich merkt das Kind: es hat Macht! Körperlich sind Kinder ja immer den Erwachsenen unterlegen – werden sie genommen und irgendwo hingetragen, können Sie sich nicht wirklich wehren. Aber Worte lassen sich nicht unterdrücken – was will Mama schon machen, wenn ich ohne Unterlass „Pups“ und „Kacka“ von mir gebe? Es ist doch auch sooo spannend, was sie dann macht! Und was passiert eigentlich, wenn ich es mal so richtig übertreibe?
Mein erster Gedanke war: Ignorieren. Wenn die erhoffte Reaktion ausbleibt, dann wird das Verhalten doch eigentlich schnell uninteressant. In der ersten rebellischen kleinkindlichen „Ich-lege-meine-Füße-so-lange-auf-den-Tisch-bis-endlich-einer-was-sagt“-Phase (die so zwischen 2 und 2,5 Jahren auftritt) habe ich bei meiner Tochter noch den Fehler gemacht, das Verhalten "aberziehen" zu wollen. Stoisch nahm ich immer wieder ihre Füße vom Tisch und sagte freundlich: "Lass das - Füße gehören nicht auf den Tisch!" Nach dem 73. Mal war ich dann nicht mehr ganz so stoisch und ganz so freundlich und es machte ihr natürlich immer mehr Spaß. War sicher unterhaltsam, Mama dabei zu beobachten, wie sie darum ringt, zu entscheiden, wie sie reagiert. Je aufgebrachter ich war, desto lustiger und interessanter wurde es. Und ich war aufgebracht - sah ich doch meine erzieherischen Felle gerade gnadenlos davon schwimmen! Schnell die Fachliteratur konsultiert und es mit radikalerIgnoranz der Füße auf dem Tisch probiert. Das führte dann verblüffend schnell zur umgehenden Einstellung des Verhaltens wegen nun fehlender Unterhaltsamkeit (und anstrengend war es sowieso). Hat also wirklich prima geklappt, das mit dem Ignorieren unerwünschten Verhaltens.
Also habe ich das auch bei den Schimpfwörtern versucht. Die ersten Pupskackas verhallten vollkommen unkommentiert. Ich freute mich ob meiner vermeintlich erneut erfolgreichen Strategie – aber nicht sehr lange. Denn: meiner Tochter war trotzdem klar, dass sie etwas gefunden hat, das eigentlich immer verlässlich zu Reaktionen führt. In der Kita wird nämlich darauf reagiert. Also hat sie das Bemühen, die Wörter zu Hause im Sprachgebrauch unterzubringen, heftig verstärkt. Kann doch nicht sein, dass die ganze Welt sich empört und Mama nicht? Da meine Tochter wirklich hartnäckig ist, hat sie es irgendwann geschafft: Ich bin in die Falle getappt. Und in dieser Sekunde hatte ich verloren.
Mich nervt das! So richtig. Und wahrscheinlich bin ich selber schuld. Im Grunde weiß ich ja, dass das eine vollkommen normale Phase ist, die fast ausnahmslos jedes Kind hat. Mir ist bewusst, dass das Faszinierende an der Fäkalsprache nicht die Worte selbst sind, sondern die Reaktion der Mitmenschen. Auf diese Worte reagiert nämlich jeder, absolut jeder. Andere Kinder mit verstohlenem Gekicher, Erwachsene mit Irritation. Und es ist natürlich extrem interessant, Wörter gefunden zu haben, mit denen man so verlässlich Reaktionen hervorrufen kann.
Plötzlich merkt das Kind: es hat Macht! Körperlich sind Kinder ja immer den Erwachsenen unterlegen – werden sie genommen und irgendwo hingetragen, können Sie sich nicht wirklich wehren. Aber Worte lassen sich nicht unterdrücken – was will Mama schon machen, wenn ich ohne Unterlass „Pups“ und „Kacka“ von mir gebe? Es ist doch auch sooo spannend, was sie dann macht! Und was passiert eigentlich, wenn ich es mal so richtig übertreibe?
Mein erster Gedanke war: Ignorieren. Wenn die erhoffte Reaktion ausbleibt, dann wird das Verhalten doch eigentlich schnell uninteressant. In der ersten rebellischen kleinkindlichen „Ich-lege-meine-Füße-so-lange-auf-den-Tisch-bis-endlich-einer-was-sagt“-Phase (die so zwischen 2 und 2,5 Jahren auftritt) habe ich bei meiner Tochter noch den Fehler gemacht, das Verhalten "aberziehen" zu wollen. Stoisch nahm ich immer wieder ihre Füße vom Tisch und sagte freundlich: "Lass das - Füße gehören nicht auf den Tisch!" Nach dem 73. Mal war ich dann nicht mehr ganz so stoisch und ganz so freundlich und es machte ihr natürlich immer mehr Spaß. War sicher unterhaltsam, Mama dabei zu beobachten, wie sie darum ringt, zu entscheiden, wie sie reagiert. Je aufgebrachter ich war, desto lustiger und interessanter wurde es. Und ich war aufgebracht - sah ich doch meine erzieherischen Felle gerade gnadenlos davon schwimmen! Schnell die Fachliteratur konsultiert und es mit radikalerIgnoranz der Füße auf dem Tisch probiert. Das führte dann verblüffend schnell zur umgehenden Einstellung des Verhaltens wegen nun fehlender Unterhaltsamkeit (und anstrengend war es sowieso). Hat also wirklich prima geklappt, das mit dem Ignorieren unerwünschten Verhaltens.
Also habe ich das auch bei den Schimpfwörtern versucht. Die ersten Pupskackas verhallten vollkommen unkommentiert. Ich freute mich ob meiner vermeintlich erneut erfolgreichen Strategie – aber nicht sehr lange. Denn: meiner Tochter war trotzdem klar, dass sie etwas gefunden hat, das eigentlich immer verlässlich zu Reaktionen führt. In der Kita wird nämlich darauf reagiert. Also hat sie das Bemühen, die Wörter zu Hause im Sprachgebrauch unterzubringen, heftig verstärkt. Kann doch nicht sein, dass die ganze Welt sich empört und Mama nicht? Da meine Tochter wirklich hartnäckig ist, hat sie es irgendwann geschafft: Ich bin in die Falle getappt. Und in dieser Sekunde hatte ich verloren.
Aber ganz ehrlich - irgendwann reißt der Geduldsfaden einfach und so reagierte ich eben doch irgendwann mit einem genervten "Lass das doch mal - das macht man nicht!" Wenn mein Kind trotz größtem Ignorierbemühen zum zehnten Mal in einer halben Stunde herzhaft laut neben mir rülpst, dann macht mich das wirklich mürbe. Vor allem wenn der kleine Bruder kichernd daneben sitzt. Vor meinen Augen tauchen Visionen auf: ein süßer, kleiner, unschuldiger Zweijähriger läuft laut rülpsend und "Scheiße" rufend über den Kita-Spielplatz... das animiert doch auch die anderen Kinder - in dem Alter wird schließlich jeder Unfug nachgemacht. Irgendwann liegen alle lachend, rülpsend und pupsend am Boden. Und die Augen der Kita-Erzieher werden allesamt auf mich gerichtet sein und ich kann die Gedanken förmlich lesen: "DIE! DIE ist schuld! DIE erzieht ihre Kinder nicht richtig! Furchtbar!"
Ein etwas vertiefteres Nachdenken bringt zutage, dass mich im Grunde nur das stört. Dass andere Menschen denken könnten, dass die Erziehung meiner Kinder grundsätzlich misslungen wäre. Was Menschen über mich denken, ist mir nicht allzu wichtig, aber dass jemand meine Kinder für blöde Gören halten könnte - und vor allem: ihnen das vielleicht noch sagt - der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht. Ich weiß ja, wie die heutige Erziehung noch immer davon geprägt ist, dass von Kindern erwartet wird "artig" zu sein. Und dass sie gefälligst "hören" soll - nur dann gilt sie gemeinhin als gelungen. Dieses Weltbild bestätigte mir erst neulich ein Elternfragebogen, den ich für eine Reihenuntersuchung ausfüllen musste. Dort wurden - 2014 (!!!) - tatsächlich folgende Fragen gestellt:
Mein Kind:
Ich habe übrigens mit meinem Weltbild geantwortet:
Mir persönlich würde es nichts ausmachen, wenn jemand wegen der Schimpfworte zu mir sagt: "Die sind aber unerzogen" - ich würde antworten mit: "Nö - selbstbestimmt". Das würde den Gesprächspartner hoffentlich so sehr verwirren, dass eine Chance auf ein abruptes Ende besteht. Aber die ältere Generation neigt ja leider dazu, direkt die Kinder anzusprechen und selbst mit drastischen Worten erzieherisch tätig zu werden. Das würde ich meinen Kindern einfach gerne ersparen. Zudem sie im Grunde ganz liebe und zauberhafte Kinder sind – und genau das sollen sie doch durch den blöden Pupskram bitte nicht verschleiern!
Ja - das ist leider so ein bisschen meine Achilles-Ferse - die kleine nagende Angst, nicht "gut genug" zu erziehen und die beschrieenen Winterhoff´schen Tyrannen zu produzieren - es fällt mir wahnsinnig schwer, mich davon zu lösen. Im Grunde sagt mein angelesenes Bauchgefühl, dass mein Weg völlig in Ordnung ist, aber in solchen Phasen schleichen sich trotzdem manchmal ganz fiese kleine Zweifel ein. Müsste man nicht mal ordentlich auf den Tisch hauen?
Ein etwas vertiefteres Nachdenken bringt zutage, dass mich im Grunde nur das stört. Dass andere Menschen denken könnten, dass die Erziehung meiner Kinder grundsätzlich misslungen wäre. Was Menschen über mich denken, ist mir nicht allzu wichtig, aber dass jemand meine Kinder für blöde Gören halten könnte - und vor allem: ihnen das vielleicht noch sagt - der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht. Ich weiß ja, wie die heutige Erziehung noch immer davon geprägt ist, dass von Kindern erwartet wird "artig" zu sein. Und dass sie gefälligst "hören" soll - nur dann gilt sie gemeinhin als gelungen. Dieses Weltbild bestätigte mir erst neulich ein Elternfragebogen, den ich für eine Reihenuntersuchung ausfüllen musste. Dort wurden - 2014 (!!!) - tatsächlich folgende Fragen gestellt:
Mein Kind:
Ich habe übrigens mit meinem Weltbild geantwortet:
Mir persönlich würde es nichts ausmachen, wenn jemand wegen der Schimpfworte zu mir sagt: "Die sind aber unerzogen" - ich würde antworten mit: "Nö - selbstbestimmt". Das würde den Gesprächspartner hoffentlich so sehr verwirren, dass eine Chance auf ein abruptes Ende besteht. Aber die ältere Generation neigt ja leider dazu, direkt die Kinder anzusprechen und selbst mit drastischen Worten erzieherisch tätig zu werden. Das würde ich meinen Kindern einfach gerne ersparen. Zudem sie im Grunde ganz liebe und zauberhafte Kinder sind – und genau das sollen sie doch durch den blöden Pupskram bitte nicht verschleiern!
Ja - das ist leider so ein bisschen meine Achilles-Ferse - die kleine nagende Angst, nicht "gut genug" zu erziehen und die beschrieenen Winterhoff´schen Tyrannen zu produzieren - es fällt mir wahnsinnig schwer, mich davon zu lösen. Im Grunde sagt mein angelesenes Bauchgefühl, dass mein Weg völlig in Ordnung ist, aber in solchen Phasen schleichen sich trotzdem manchmal ganz fiese kleine Zweifel ein. Müsste man nicht mal ordentlich auf den Tisch hauen?
Muss man wahrscheinlich nicht - es gibt ja noch ein paar Dinge, die man vorher versuchen kann. Mit Ignorieren komme ich nicht weiter. Einfach auch, weil es nicht ausreicht, wenn ich das mache - wer fluchend die Straße lang geht, der bekommt seine Reaktionen garantiert - dann eben von anderen Mitmenschen. Und auch die anderen Kinder kichern ja immer wieder fleißig mit - gefangen zwischen Belustigung, Bewunderung und Faszination.
Also dachte ich mir, ich probiere es mal mit einem in Foren gerne gegebenen Tipp, nämlich Schimpfwörter quasi "lokal" zu begrenzen. Verbotenes ist megainteressant – eingeschränkt Erlaubtes vielleicht nicht mehr allzu sehr. Man nennt das fachlich Symptomverschreibung - eine Methode der paradoxen Intervention. Es geht dabei darum, das Kind zum unerwünschten Verhalten aktiv zu ermuntern, es aber an eine bestimmte Bedingung zu knüpfen.
"Ziel dieser Strategie ist es, durch die Verschreibung die Funktion des problematischen Verhaltens den Systemmitgliedern in seiner Paradoxie bewusst zu machen" (Wikipedia).
Also gab es die Ansage: „Auf der Toilette können Schimpfwörter gesagt werden, so viele ihr möchtet“. Im Grunde eine clevere Idee. Fiel also ein Schimpfwort, forderte ich sie auf, auf die Toilette zu gehen und dort weiter zu machen. Und was passierte? Es kam regelmäßig ein „Ach, ich bin eh gerade fertig - vielen Dank!“ Zwar war dann auch tatsächlich erst mal Ruhe – aber eben nicht dauerhaft. Nach einer halben Stunde ging es fröhlich weiter. Aber: Es gibt Eltern, die damit tatsächlich Erfolge erzielt haben - daher ist es durchaus einen Versuch wert. Meine Kinder sind sich als Systemmitglieder offensichtlich leider nicht der Paradoxie bewusst geworden...
Plötzlich kam ein enthusiastisches „GEIL!“ ins Haus. Auweia – als nächstes wird dann „Alter“ mitgebracht, oder wie? Nee – „geil“ find ich total ungeil und ich sage empört ganz impulsiv: „Sowas sagen doch nur die dummen Kinder!“ Und: "Das ist kein schönes Wort". Hm – ich habe "geil" nie wieder gehört. Liegt es an dem, was ich gesagt habe, war das Wort doch nicht so spannend oder ist das nur eine Anwendungspause? Vielleicht ist der Verweis auf die Dummheit die ultimative Lösung? Aber es fühlt sich für mich absolut nicht richtig an, andere Kinder als „dumm“ zu bezeichnen, wenn sie das gleiche Verhalten zeigen, wie die meinen… auch wenn es (zufällig?) wirksam war, ist das für mich keine wirkliche Alternative.

Und wenn sich jemand über die Schimpfwörter aufregt, werde ich ihn einfach in eine kleine Fachsimpelei verstricken... "Ja - erstaunlich - oder? Leider hat bei uns die paradoxe Intervention durch Symptomverschreibung nicht zu Abhilfe geführt. Also werden sie - wie jeder andere Erwachsene auch - das Wort "scheiße" wohl tatsächlich in den dauerhaften Wortschatz übernehmen. Das ist aber nicht so schlimm, unser typisch deutsches Fluchen ist ja im Grunde harmlos. Das ist nämlich geprägt durch die Fäkalsprache - im Rest Europas wird eher sexuell geflucht. Bei uns sind Dinge vornehmlich kacke und scheiße. Während wir uns "beschissen" fühlen, erklärt der Holländer lieber "Ik voel me klotig" ("Ich fühl mich hodig"). Das hat ja auch Vorteile! Ausdrücke aus dem Fäkal-Sortiment sind weitestgehend geschlechtsneutral und nicht weiblichkeitsabwertend. Während der Engländer also auch sein Auto "bitch" (Hure) nennt und damit Damen verunglimpft, ist der Deutsche mit seine Scheißkarre doch wesentlich neutraler."
Na da lob ich mir doch den harmlosen "Pups"!"
© Danielle
Quellen
http://www.spiegel.de/schulspiegel/fluchen-in-europa-sprachforscher-erklaert-vulgaersprache-a-857211.html