Die Deutsche Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat ihre Empfehlungen für die Ernährung im Säuglingsalter aktualisiert. In einer Pressemitteilung war vor ein paar Wochen zu lesen: "Dabei wurden auch neue Trends in der Babykost kritisch betrachtet". Aber dazu später mehr - nur so viel: es wird interessant!
Zunächst einmal möchte ich aber die aktuellen Empfehlungen kurz zusammenfassen. Sie wurden als kurzes Faltblatt und als ausführlicher Artikel aufbereitet. Man fragt sich aber schon ein bisschen, was jetzt eigentlich wirklich so neu ist. Aber lest selbst:
Zunächst einmal möchte ich aber die aktuellen Empfehlungen kurz zusammenfassen. Sie wurden als kurzes Faltblatt und als ausführlicher Artikel aufbereitet. Man fragt sich aber schon ein bisschen, was jetzt eigentlich wirklich so neu ist. Aber lest selbst:
Die Empfehlungen zur Ernährung gesunder Säuglinge
Stillen
Innerhalb von 2 Stunden nach der Geburt soll das Kind angelegt werden und die Brustwarze möglichst selbst finden. Es erfolgt eine nähere Untersuchung des Kindes, wenn es mehr als 7-10% des Geburtsgewichtes abnimmt oder über 7 Tage nicht zunimmt. Danach wird nach Bedarf gestillt. Am besten 4 bis 6 Monate lang ausschließlich - auch kürzeres Stillen oder Teilstillen sind sinnvoll. Ab Beginn der Beikostgabe kann weiter gestillt werden, so lange Mutter und Kind wollen. Es erfolgt keine Zufütterung, sofern keine medizinische Indikation vorliegt.
Säuglingsanfangsnahrung
Im gesamten ersten Lebensjahr kann Pre- oder 1er-Nahrung gefüttert werden. Folgenahrungen werden erst gegeben, wenn das Kind Beikost erhält - sie sind nicht zwingend notwendig. Liegen allergische Erkrankungen in der Familie vor, kann HA-Nahrung bis zur Beikosteinführung gefüttert werden. Nahrung mit Sojaeiweiß soll nur bei besonderer Indikation verwendet werden. Selbst zubereitete Nahrungen aus Tiermilch dürfen nicht gegeben werden. Der Zusatz von LC-PUFA hat mögliche Vorteile, die Wirkung von Pre- und Probiotika sind nicht erwiesen.
Flaschennahrung muss frisch zubereitet werden, Reste werden verworfen. Flaschen und Sauger sind sorgfältig zu reinigen und trocken aufzubewahren. Auskochen und Sterilisierbäder sind nicht erforderlich. Pulvernahrung wird mit frischem Wasser zubereitet, über Nacht in der Leitung gestandenes Wasser wird nicht verwendet. Wasserfilter sind wegen der Keimbelastung zu vermeiden. Bei einem hohem Nitratgehalt (über 50 mg/l) und Bleileitungen soll auf abgepacktes, besonders gekennzeichnetes Wasser zurück gegriffen werden, das speziell als für die Zubereitung für Säuglinge gekennzeichnet.
Die Nahrung kann mit auf Trinktemperatur erwärmtes oder abgekochtes und auf Trinktemperatur abgekühltes Wasser zubereitet werden. Von der Zubereitung mit kochendem Wasser oder mit Wasser das heißer als 70°C ist, wird abgeraten.
Beikost
Beikost soll im Alter zwischen 17 Wochen (4 Monate) und 26 Wochen (6 Monate) eingeführt werden. Der individuelle Zeitpunkt ergibt sich durch das Gedeihen und die Essfähigkeit des Kindes. Allergene sollen zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat eingeführt werden (also auch im Alter von 4 bis 6 Monaten). Gluten soll in diesem Zeitraum in kleinen Mengen und möglichst noch während des Stillens gegeben werden.

Es eigenen sich selbst hergestellte und industriell gefertigte Mahlzeiten. Fett ist in ausreichender Menge und in guter Qualität zuzugeben. Die Verwendung von Honig ist zu vermeiden. Beikost soll abwechslungsreich sein und eine positive Geschmacksprägung des Säuglings fördern. Auf den Zusatz von Salz und Zucker soll verzichtet werden.
Für den Milchbrei können 200 ml Kuhmilch verwendet werden. Als Getränk soll Kuhmilch erst gegen Ende des zweiten Lebensjahres gegeben werden, um nachteilige Wirkungen - bspw. auf die Eisenabsorption - zu vermeiden. Nachdem drei Breimahlzeiten eingeführt wurden, sollen Wasser und ungesüßte Tees angeboten werden. Davor ist Muttermilch/Säuglingsmilch ausreichend.
Alle Säuglinge erhalten 3 mal Vitamin K. Ab der zweiten Lebenswoche wird Vitamin D zugeführt und mit Fluorid kombiniert - in Abhängigkeit vom Gehalt des Trinkwassers. Eine vegetarische Ernährung ist möglich bei sorgfältiger Auswahl der Lebensmittel, eine vegane Ernährung ist abzulehnen.
Einschätzung
Grundsätzlich gibt es nicht allzu viel Neues zu empfehlen - das meiste wird so seit Jahren in die Welt getragen. Nach wie vor recht starr ist der Plan, in festem Rhythmus Mahlzeiten komplett zu ersetzen. Relativ neu ist die Aussage, dass man Flaschen und Sauger nicht mehr auskochen oder sterilisieren muss - eine gründliche Reinigung reicht aus (darüber hatte ich ja schon im Artikel Hygiene - wieviel Sauberkeit brauchen unsere Kinder wirklich? geschrieben). Bezüglich der Fluoridgabe habe ich vor kurzem in diesem Artikel dargelegt, warum meiner Ansicht nach eine Fluoridgabe durch eine Tablette eher nicht empfehlenswert ist - erst recht nicht von Geburt an in Kombination mit Vitamin D. Neu ist meines Wissens auch die Aussage, dass man Wasser für das Pulver von Flaschenmilch nicht mehr kochen muss - man kann auch einfach nur auf Trinktemperatur erwärmtes nehmen.
Die kritische Betrachtung neuer Trends
Die da neu kritisch betrachteten Trends sind vegane Ernährung und Baby-led weaning. Es wird festgestellt, dass eine vegetarische Ernährung durchaus möglich ist, man müsse nur besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Lebensmittel legen. Das ist nachvollziehbar - worauf genau man dabei achten muss, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst. Eine vegane Ernährung von Babys ist laut DGKJ jedoch abzulehnen.
Erstaunt war ich von der Aussage, dass man vom Baby-led weaning (BLW, ich hatte in diesem Artikel ausführlich über diese Art der Beikosteinführung geschrieben) explizit abrät. Bei dieser Methode entscheidet das Kind ganz allein, wie schnell es sich abstillt und was es in welchen Mengen verzehrt. Die Nahrung wird nicht als Brei gegeben, sondern in handlichen Stücken, von denen das Baby selbst "abbeißt".
Ich persönlich halte das ja für eine vollkommen artgerechte alternative Ernährungsweise, daher war ich gespannt, was man an dieser denn auszusetzen haben könnte. So las ich verblüfft im ausführlichen Konsensuspapier (S. 533):
Ich persönlich halte das ja für eine vollkommen artgerechte alternative Ernährungsweise, daher war ich gespannt, was man an dieser denn auszusetzen haben könnte. So las ich verblüfft im ausführlichen Konsensuspapier (S. 533):
"In einer jüngeren Publikation des Forschungsinstitutes für Kinderenährung wurde die vorhandene Datenlage zum Konzept "Baby-led weaning" systematisch erfasst und beurteilt. Hilbig und Mitarbeiter folgern, dass eine konsequente Verfolgung der Selbstfütterung von Beikost mit der Hand zu einer nicht erwünschten verzögerten Einführung erst im Laufe des 2. Lebenshalbjahres führte, mit möglichen Nachteilen für die Allergie- und Zöliakieprävention sowie das kindliche Aspirationsrisiko. Des Weiteren folgern die Autoren, dass die Selbstfütterung von Beikost mit der Hand in der Regel zu geringen verzehrmengen an Beikost und insbesondere einer niedrigen Zufuhr an nährstoffreicher Energiedichte und somit zu erheblichen Risiken für eine angemessene Nährstoffversorgung führt".
Um es kurz festzuhalten: die Ablehnung von BLW basiert ausschließlich auf einem Artikel von Hilbig, Alexy und Kersting "Beikost: Breimahlzeiten oder Finger Food" und in der Monatsschrift Kinderheilkunde erschien. Es werden folgende Gründe gegen das BLW angeführt:
- Fehlende Allergie-/Zöliakieprävention wegen zu spätem Beikoststart
- Aspirationsgefahr
- zu niedrige Energiezufuhr und Risiken für einen Nährstoffmangel
Ich habe mir diesen Artikel genauer angesehen und war doch sehr überrascht. Schauen wir uns die Punkte und vor allem ihre Begründung doch mal im Einzelnen an:
Fehlende Allergie-/Zöliakieprävention

Fragt man sich, warum diese Empfehlung eigentlich geändert wurde, würde man doch eigentlich vermuten, dass die Wissenschaft durch Studien zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die frühere Einführung Allergien wirksamer verhindert, als ein Beikoststart erst nach 6 Monaten. Das ist aber gar nicht der Fall - tatsächlich erwiesen ist nach wir vor nur, dass vor allem das Stillen eine protektive Wirkung bei der Allergievermeidung hat. Leider wird in Deutschland nur sehr kurz gestillt - mit 4 Monaten werden noch etwa 60 % der Kinder gestillt, bis zum Alter von 6 Monaten sinkt die Quote auf 40-50 %. Also hat man einfach den Beginn der Beikosteinführung nach vorne gezogen, damit möglichst beides noch zusammenfällt. Das wird auch hier vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft bestätigt:
"Neuere Daten [...] ergaben, dass im 6. Monat nur noch 52% der Kinder gestillt werden. [...] Würde eine Einführung der Beikost erst ab Beginn des 7. Monats empfohlen, müssten demzufolge knapp die Hälfte der [...] Säuglinge die Zeit bis zum empfohlenen Beikoststart mit Säuglingsmilchnahrung „überbrücken“. Die oben angeführte risikomindernde Maßnahme würde diese Kinder nicht erreichen".
Bei der Allergieprävention kommt es also nicht auf den Zeitpunkt der Beikosteinführung an, sondern darauf, dass gleichzeitig noch gestillt wird. Denn die Muttermilch schützt vor Allergien - im 5. Monat genau so, wie im 8. Monat. Daher ist die (ohnehin nur) vermeintliche spätere Einführung von Beikost durch das BLW im Grunde gar kein Problem - so lange dabei noch gestillt wird (was bei BLW ja üblicherweise der Fall ist).
Ein Sonderfall ist jedoch Gluten. Aktuell hat eine Untersuchung niederländischer Forscher ergeben, dass der Erstkontakt für die Zöliakieprävention entscheidend ist. Dieser sollte zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat erfolgen. Nun - das "Problem" lässt sich ja nun wirklich unkompliziert lösen. Wenn ein 5-monatiges Baby einmalig an einem Brötchen lutscht, hat man im Grunde schon alles getan, was für die Vorbeugung einer Zöliakie erforderlich ist.
Verwirrt hat mich außerdem die Annahme, dass BLW-Kinder automatisch viel später Beikost bekommen. Wie heißt es so schön im DGKJ-Papier?
"Hilbig und Mitarbeiter folgern, dass eine konsequente Verfolgung der Selbstfütterung von Beikost mit der Hand zu einer nicht erwünschten verzögerten Einführung erst im Laufe des 2. Lebenshalbjahres führte".
Ein Baby ist jedoch schon mit 3 bis 4 Monaten - rein körperlich - in der Lage, Nahrung zu greifen, zum Mund zu führen und darauf rumzulutschen. Eine Befragung in meinem Lieblingsforum ergab, dass die Babys mit etwa 6 Monaten in der Lage waren, stückige Nahrung zu halten und das auch taten.
Außerdem wird beim BLW - ebenso, wie bei der "normalen" Beikosteinführung - auf die Signale des Babys geachtet. Der Zeitpunkt der Beikostreife ist vom Fütterungsverfahren völlig unabhängig. Es gibt Babys, die wollen im ganzen ersten Lebensjahr nichts anderes als Milch. Es gibt Babys, die können rein gar nichts Stückiges essen und würgen bis ins zweite Lebensjahr. Und es gibt Babys, die hassen Brei und essen nur Fingerfood. All das kann man als Elternteil überhaupt nicht beeinflussen - alle diese Kinder werden essen, was sie möchten, wenn der Zeitpunkt gekommen ist - und nicht, weil ich es innerhalb irgendwelcher bestimmten Zeiträume anbiete.
Im Artikel "Beikost: Breimahlzeiten oder Finger Food" sind sogar einige (alle?) Studien zum Thema zusammenfasst. Eine davon hat ergeben, dass 56,48 % der BLW-Kinder vor dem 6. Monat (also mit 5 Monaten) schon nach Lebensmitteln griffen. Vor dem 8. Monat (also bevor die Babys 7 Monate alt waren!) aßen bereits 90 % der Babys Fingerfood. Von einer stark verzögerten Beikosteinführung kann also nicht wirklich die Rede sein.
Lustigerweise endet die Pressemitteilung mit den Worten:
"Insgesamt bestätigt die Ernährungskommission in ihrer wissenschaftlichen Publikation die Empfehlung, Säuglinge in den ersten 4 bis 6 Lebensmonaten ausschließlich zu stillen".
Es wird also kritisiert, dass BLW-Kinder erst im zweiten Lebenshalbjahr mit Allergenen und Gluten in Kontakt kommen, aber man empfiehlt trotzdem generell auch bis 6 Monate ausschließlich zu stillen.
Zu niedrige Energiezufuhr und Risiken für einen Nährstoffmangel

Das Risiko kann "nicht ausgeräumt" werden? Ja hat es denn mal einer überprüft, ob so ein Risiko besteht? Schließlich essen BLW-Kinder im Grunde das gleiche, wie Breikinder - allenfalls die Konsistenz unterscheidet sich. BLW-Kinder essen zwar durchschnittlich weniger, trinken dafür aber mehr Milch (die ja alle Nährstoffe enthält).
Man müsste doch eigentlich ganz einfach nur ein mal Blutbild bei BLW-Kindern zu machen - da würde man doch dann sehen, ob ein Mangel besteht oder nicht. Und wie kann man eigentlich behaupten, dass überhaupt ein Risiko besteht, wenn man im selben Artikel schreibt:
"Es gibt nur wenige Studien, die die Energie- und Nährstoffzufuhr sowie Wachstum und Gesundheit bei Säuglingen mit BLW untersucht haben. [...] In 2 Studien wurde das Wachstum von Säuglingen mit BLW mit dem Wachstum traditionell gefütterter Säuglinge verglichen: In einer Studie gab es keinen Unterschied im Körpergewicht, in der anderen wurde die Tendenz zu einer erhöhten Inzidenz von Untergewicht beim BLW und von Übergewicht bei traditioneller Fütterung beobachtet. Ob diese Assoziationen kausal sind, kann aus diesen Studien nicht entnommen werden."
Untergewicht kann man nicht pauschal gleichsetzen mit Unterernährung oder Nährstoffmangel. Die Kinder wiegen schlicht weniger, als die Breikinder. Bezüglich der Nährstoffe stellt man im Artikel ganz klar fest:
"Vergleichende Studien zum Versorgungsstatus von Eisen oder anderen möglicherweise kritischen Nährstoffen im Beikostalter wie Jod oder Zink liegen nicht vor".
Es gibt also tatsächlich nicht eine einzige Studie, die einen Mangel bei BLW-Kindern festgestellt hat. Wie man trotzdem auf einen vermeintlichen Nährstoffmangel kommt, wird wie folgt erklärt:
"Dagegen zeigen Berechnungen unter realistischen Annahmen, dass bei ausschließlichem Stillen im 2. Lebenshalbjahr die Versorgung mit Nährstoffen defizitär wird, in der Reihenfolge Eisen, Vitamin B6, Zink, Phosphor, Magnesium und Kalzium und schließlich auch die Energieversorgung".
Die Autoren argumentieren also, dass beim BLW ein Nährstoffmangel zu erwarten ist, weil das bei ausschließlichem Stillen schließlich auch möglich ist. Wie soll das denn gehen? Beim BLW wird ja nun gar nicht "ausschließlich gestillt". Es wird einfach nur unverarbeitetere stückige Kost statt Brei angeboten - die kann kaum weniger Nährstoffe enthalten, als Brei - und schon gar nicht als solcher, der monatelang im Gläschen haltbar gemacht wurde.
Dann gab es noch das Argument der "niedrigen Zufuhr an nährstoffreicher Energiedichte". Schauen wir doch mal in den Abstract der Quelle, auf die bei dem obigen Zitat zum Vollstillen im 2. Lebenshalbjahr verwiesen wird:
Dann gab es noch das Argument der "niedrigen Zufuhr an nährstoffreicher Energiedichte". Schauen wir doch mal in den Abstract der Quelle, auf die bei dem obigen Zitat zum Vollstillen im 2. Lebenshalbjahr verwiesen wird:
"If a mother nurses on demand and is well nourished, her milk supply probably can keep pace with her infant's energy needs for considerably longer than 6 months".
Die Milch einer Mutter, die sich gut ernährt, kann also wahrscheinlich mit dem steigenden Energiebedarf das Kindes mithalten.
Aspirationsgefahr
Der weiterer Punkt, der dazu führte, dass vom DGKJ vom Baby-led weaning abgeraten wird, ist die Aspirationsgefahr. Das verwunderte mich - denn liest man das Fazit des Artikels, auf dem diese Empfehlung basiert, heißt es:
"Beikost als Fingerfood und traditionelle Breieinführung schließen einander nicht aus".
Besteht denn nun eine gefährliche Aspirationsgefahr oder nicht? Wenn ja, dann muss man doch vom Verzehr jedweder stückiger Kost generell abraten und kann nicht sagen, beides ergänzt sich doch prima - oder?
In dem Artikel heißt es zur Aspirationsgefahr weiter:
"Ein Vorbehalt des BLW ist das Risiko, feste Stücke zu aspirieren (z. B. Wurzelgemüse). In einer qualitativen Studie mit 20 Müttern berichteten 30% von einer oder mehreren Episoden, in denen sich das Kind verschluckt hatte. Allerdings hatten die Säuglinge in diesen Fällen auch ohne Eingreifen der Eltern die Speisen ausgehustet".
Es wird also generell vom BLW abgeraten, weil bei einer Studie mit 20 (!) Müttern insgesamt 6 (!) Mütter angegeben haben, dass sich das Kind an der Nahrung verschluckt (!) habe? Was wäre denn gewesen, wenn man mal zum Vergleich Mütter von Breibabys befragt hätte- wie viele von denen haben sich schon mal am Brei verschluckt? Ich möchte wetten, dass es mehr als 30 % waren! Denn an Babybrei verschluckt man sich viel schneller, da bei stückiger Kost der Würgereiz, der zu große und unpassende Stücke umgehend aus dem Mund befördert, bei Kindern noch recht weit vorne in der Mundhöhle ausgelöst wird. Saugen sie den Brei vom Löffel, landet viel schneller etwas in der Luftröhre, als bei BLW. Das Heraushusten ist eine natürliche Reaktion des Körpers, das bei jeder Fütterungsmethode am Anfang auftritt. Eine Erstickungsgefahr besteht vor allem bei runden, die Luftröhre komplett verschließenden Nahrungsmitteln wie Nüssen und Weintrauben - das weiß man aber, wenn man BLW praktiziert.
Jetzt wird es interessant: Lauter seltsame Zusammenhänge
Ich fasse nochmal kurz zusammen:
Die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin überarbeitet ihre Empfehlungen zur Ernährung gesunder Säuglinge. Im Zuge dessen wird festgestellt, dass der neue Trend des Baby-led weaning kritisch zu betrachten ist. Es wird auf den Artikel "Beikost in Form von Breimahlzeiten oder Fingerfood" verwiesen und
"weiterhin die Anwendung des Ernährungsplanes für das 1. Lebensjahr mit Verwendung von Breien"
empfohlen. Warum dieser Artikel bei der Empfehlung der DGKJ berücksichtigt wurde, erklärt sich bei der Betrachtung der Autoren beider Werke - in beiden hat Prof. Dr. Mathilde Kersting mitgewirkt.
Aber die Autoren haben auch noch etwas gemeinsam - Annett Hilbig und Mathilde Kersting sind für das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) tätig. FKE? Das waren doch die mit der peinlichen "Stillkinder brauchen unbedingt fleischhaltige Gläschenkost"-Geschichte. Wer das ausführlich nachlesen will, kann das in diesem Artikel tun - hier schnell die Kurzfassung:
Mit einer Pressemeldung verkündete das FKE, eine seiner Studien habe folgendes ergeben:
"Mütter, die ihre Kinder voll stillen, sollten nach vier bis spätestens sechs Monaten damit beginnen, eisenreiche Breinahrung zuzufüttern. Ansonsten droht ein möglicherweise gefährlicher Eisenmangel".
Tatsächlich sollte diese Studie eigentlich untersuchen, ob es in Bezug auf die Eisenversorgung einen Unterschied macht, ob man Flaschen- und Stillkindern Fleischgläser mit 8 oder 1mit 2 % Fleischanteil gibt. Die Studie ergab, dass es völlig egal ist, wie viel Fleisch in einem Glas ist - ein Unterschied bei der Eisenversorgung konnte nicht festgestellt werden. Total blöd für den damaligen Auftraggeber - die CMA - ihres Zeichens Vermarkter landwirtschaftlicher Produkte. Denen hätte es sehr gut gefallen, wenn sie mehr Fleisch an die Gläschenhersteller verkaufen könnten. Um die Studie dann doch noch gewinnbringend zu vermarkten, hat man die Eisenspiegel der gestillten Kinder und der Flaschenkinder verglichen und festgestellt, dass er sich unterscheidet. Was nun aber gar nicht verwunderlich ist, da den Flaschennahrungen in wirklich rauen Mengen Eisen zugefügt wird (zehn mal mehr, als Muttermilch enthält!). Daraus nun aber zu schlussfolgern, dass Stillkinder unterversorgt sind und nun dringend Fleischgläser verzehren müssen, ist mehr als abenteuerlich. Und das wurde tatsächlich genau so in der Pressemitteilung geschrieben:
"Dabei sollten Eltern möglichst zu fleischreichen Gläschen greifen."
Warum eigentlich explizit zu "fleischreichen Gläsern"? Zudem das fleischhaltigste Glas auf dem Markt nur 0,4864 mg Eisen enthält - das sind gerade mal 6 % des Tagesbedarfes. Müsste eine seriöse Empfehlung nicht vielmehr sein: "Füttern sie generell eisenreiche Kost"? Die Empfehlung ist auch deshalb vollkommen absurd, weil die Kinder in der Ursprungsstudie ja mit den Fleischgläsern gefüttert wurden und trotzdem niedrigere Eisenspiegel hatten, als die Flaschenkinder.
Was mir auch ganz und gar unverständlich wäre: Die Muttermilch hat sich in hunderttausenden von Jahren perfekt an die Bedürfnisse der Babys angepasst. Sie enthält alle Nährstoffe in genau den Mengen, die erforderlich sind. Warum sollte das nun ausgerechnet beim Eisen anders sein? Und man kann ganz sicher davon ausgehen: In den letzten mindestens 199.500 Jahren des homo sapiens konnten es sich Mütter nicht leisten, Kinder möglichst schnell und effektiv abzustillen. Beikost war da wirklich noch Beikost und nicht - wie heute - Anstattkost. Da wurde deutlich mehr und deutlich länger gestillt - und offenbar hat der Eisengehalt der Muttermilch völlig ausgereicht. Tatsächlich war bis zu dieser Studie ein Eisenmangel bei Stillkindern gar nicht bekannt.
Dass Studien gerne mal das ergeben, was dem Geldgeber am besten in den Kram passt, ist leider keine Seltenheit. Hier kann man lesen, dass eine Untersuchung ergab, dass Stillen angeblich nun doch keinen langfristigen Einfluss auf das spätere Gewicht habe... Geldgeber waren die Nestlé Nutrition Institute.
Ach ja - und Leiterin der FKE-Eisen-Studie war übrigens Mathilde Kersting, eben jene Frau Kersting, deren Artikel nun dazu geführt hat, dass von offizieller Seite von einer Ernährungsform abgeraten, bei der man eben nicht zu Gläsern greift. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Besonders bizarr - Frau Dr. Kersting ist auch Mitglied der Nationalen Stillkommission – eine Institution, die eigentlich die Aufgabe hat, das Stillen zu fördern und nicht den Gläschenabsatz.
Das FKE gibt sich gerne den Anschein einer unabhängigen Institution, die das Wohl unserer Kinder im Auge hat. Seit der Geschichte mit dem Eisenmangel bin ich doch sehr skeptisch geworden. Und je mehr ich recherchierte, umso mehr wunderte ich mich. Wenn ein Institut Gelder von Dritten bekommt, möchte ich die Unabhängigkeit doch in Frage stellen. Erst Recht, wenn eine Institution, die sich mit der gesunden Ernährung von Kindern befasst, Gelder oder Produktspenden von der Firma Hipp und Nestlé entgegen nimmt. Die seltsame Eisenstudie wurde freundlicherweise von Hipp unterstützt, indem die Gläser zur Verfügung gestellt wurden. Wie praktisch, dass das Ergebnis den Gläschenproduzenten genau recht kam.
Und auch ein Blick auf die Ausstellerliste der DGKJ-Jahrestagung 2014 ist sehr interessant: neben Hipp und Humana findet man auch Milupa und Nestlé. Da fließen lukrative Standgebühren - auf der FSA-Liste kann man nachlesen, dass die Standgebühren zwischen 2.220 und 14.800 EUR betragen - mir wurde geschrieben, dass die Nahrungsmittelhersteller nicht die kleinen Stände haben. Und zusätzlich (!) fließen auch noch Sponsorengelder - wieder von Hipp und Milupa und Nestlé... Aber auch bei anderen DGKJ-Veranstaltungen lässt sich Hipp nicht lumpen - hier sind es mal 1.800 EUR von Hipp für ein Repetitorium, hier sind Hipp, Nestlé und Milupa "Silbersponsor", usw. usf.
Noch ein kleiner Exkurs zum Schluss: Wie gut sich das FKE bei der Ernährung auskennt, beweist es mit einem selbst entwickelten optimiX-Gütesiegel. Dieses Siegel - so verkündet das FKE hier vollmundig:
- beruht auf einem wissenschaftlich begründeten Präventionskonzept
- trägt zu einer Verbesserung der Kinderernährung bei und steht für
- optimierte Speisen der Gemeinschaftsverpflegung, z. B. Mittagsmahlzeiten, Pausensnacks
- optimierte Nahrungsprodukte des Handels, z.B. Fertigmahlzeiten, Tiefkühl- oder Kühlprodukte und schafft
- Transparenz und Sicherheit und
- einen erleichterten Zugang zu gesunden Nahrungsprodukten für Kinder.
Nach der Einführung im Jahr 2009 wurde auch sogleich ein geeigneter Kandidat für das Siegel gefunden - ausgezeichnet wurde das Produkt "Fruchtzwerge". Das FKE sagt dazu allen Ernstes, dass ein Fruchtzwerg doch Teil einer ausgewogenen Zwischenmahlzeit ist - wenn man den Snack zusammen mit einem kleinen Roggenbrötchen mit Butter, einem Stück Gurke, einem halben Apfel und einem Glas Wasser verzehrt.
Ich frage mich: Wie sehr kann man offiziellen Empfehlungen eigentlich noch vertrauen? Wie kann es sein, dass ein eigentlich unabhängiges Forschungsinstitut Gelder von Hipp und Danone bekommt, "Gütesiegel" an Produkte der Geldgeber verteilt und Studien erstellt, von denen Gläschenproduzenten profitieren? Und um allem die Krone aufzusetzen, wird jetzt mit völlig abstruser Argumentation vom BLW abgeraten. Für mich persönlich ein Skandal!
© Danielle
Quellen
http://www.zentrum-der-gesundheit.de/baby-brei-ia.html#ixzz385jKnD00
http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=844
http://www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkraefte/handlungsempfehlungen/erstes-lebensjahr/stillzeit/stilldauer/
http://www.welt.de/print/wams/nrw/article13700903/Guetesiegel-fuer-Zuckerbomben.html
http://www.welt.de/gesundheit/article8600541/Studie-empfiehlt-fuer-Babys-Fleisch-und-schuert-Angst.html
http://www.bfr.bund.de/de/stillen_in_deutschland___eine_bestandsaufnahme-127243.html
http://www.aponet.de/aktuelles/ihr-apotheker-informiert/20131008-spaeter-gluten-kontakt-erhoeht-zoeliakie-risiko.html
http://www.pediatric.theclinics.com/article/S0031-3955(05)70287-X/Abstract
http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/stillen-muttermilch-schuetzt-kinder-nicht-vor-uebergewicht-a-888631.html