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Reboarder - Alles, was man über rückwärts gerichtete Kindersitze wissen sollte

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Wir freuen uns, den ersten Gastartikel in unserem Blog veröffentlichen zu dürfen! Durch die aktive Verbreitung engagierter Eltern und auch durch die im Jahr 2013 erfolgten Änderungen in den ECE-Normen für Kindersitze kommen Reboarder immer mehr ins Gespräch und ins Bewusstsein der Eltern. Lucccy hat für uns alles Wissenswertes zum Thema "Reboarder" zusammengefasst - ganz herzlichen Dank dafür!
 
 

Gründe für die Verwendung eines Reboarders

 
 
Der Kopf ist im Verhältnis zum Körper bei Babys und Kleinkindern deutlich schwerer als bei Erwachsenen. Dazu kommt eine noch nicht ausreichend entwickelte Muskulatur im Kopf- und Nackenbereich. Daher gibt es für Babys bis 9 kg gar keine vorwärtsgerichteten Sitze. Doch aus Sicht der Unfallforschung ist es ratsam Kinder bis ca. zum dritten Geburtstag rückwärtsfahren zu lassen. Das folgende Video zeigt recht eindrucksvoll, warum Reboarder sinnvoll sind:


Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren oder tödlichen Unfall bei 59% beim Frontalcrash, bei 39% beim Seitenaufprall und nur 2% beim Heckunfall. Manche Eltern fragen sich, ob ein Reboarder beim Heckaufprall nicht wie ein vorwärtsgerichteter Sitz beim Frontalaufprall ist. Dies stimmt zwar im Grundgedanken, aber in der Praxis unterscheiden sich Heckaufprall und Frontalaufprall etwas. Frontalunfälle treten bei allen Geschwindigkeiten auf: mal mit geringen Geschwindigkeiten im Stadtverkehr, mal mit höheren Geschwindigkeiten im Verkehr außerorts. Treffen zwei Fahrzeuge aufeinander addieren sich die Geschwindigkeiten, d. h. treffen zwei Fahrzeuge mit je 30km/h aufeinander wirkt es ähnlich wie ein Aufprall mit 60km/h auf ein stehendes Objekt.

Beim Heckaufprall trifft meist ein langsames Fahrzeug auf ein stehendes Fahrzeug, das eventuell sogar noch ein Stück nach vorne rollt, oder es handelt sich um einen Aufprall eines fahrenden Autos auf ein vorausfahrendes Fahrzeug (hier ziehen sich die Geschwindigkeiten sogar ab, d. h. wenn ein Fahrzeug mit 20km/h auf eins mit 10km/h trifft, wirken nur die Kräfte der 10km/h Unterschied). Daher sind die Unfallfolgen bei Heckunfällen meist geringer als bei Frontalcrashs - einfach weil die Geschwindigkeiten und damit die wirkenden Kräfte geringer sind.  
 

Gängige Vorurteile über Reboarder – und was dran ist

  

Mein Kind kann gar nichts sehen

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Denn durch den Blick durch die Heckscheibe genießen die Kinder in Reboardern eine tolle Panorama-Sicht. Im Gegensatz zu Kindern in vorwärtsgerichteten Sitzen, die nur durch die Seitenscheibe (meist noch verdeckt von ihrer Kopfstütze) oder am Vordersitz vorbei gucken können, lehnen sich Kinder in Reboard-Sitzen zurück und können so in Ruhe alles hinter dem Auto betrachten. Der Vorteil ist sogar, dass sie die Objekte länger fixieren können, da nicht alles an ihnen „vorbeifliegt“.

Mein Baby mag rückwärtsfahren nicht, es schreit in der Babyschale durchgehend

Babyschalen sind oft sehr niedrig im Auto und haben eine liegende Position. Reboarder stehen in der Regel höher und sind aufrechter, so dass das Kind nicht mehr wie in der Babyschale nur Autodach sieht, sondern etwas draußen sehen kann. Ein Baby, das in der Babyschale schreit, kann also im Reboarder durchaus zufrieden sein.

Für die Beine ist kein Platz

Je nach Modell bieten Reboarder unterschiedlich viel Beinfreiheit für das Kind, das ist richtig. Aber die Kinder können die Beine so ablegen wie es ihnen bequem ist, viele Kinder legen die Beine auf den Seitenwangen ab oder sitzen im Schneidersitz. Bei langen Fahrten kann dies für die Kinder sogar angenehmer sein, da in vorwärtsgerichteten Sitzen die Beine einfach herunterbaumeln und die Kinder ggf. ständig gegen den Vordersitz treten.

So ein Sitz passt gar nicht in mein Auto

Ob ein Reboarder ins eigene Auto passt, sollte man erstmal testen. Es gibt aber auch sehr kompakte Reboardermodelle, die auch in kleine Autos wie den VW up passen.

Reboarder sind so teuer

Auf den ersten Blick erscheinen Reboarder teuer, aber in der Regel kann man Reboarder sehr lange nutzen. Es gibt Modelle, die vereinen Babyschale und Gruppe I Sitz, andere Modelle sind als Gruppe I/II Sitz nutzbar, so dass die lange Nutzungsdauer die Anschaffungskosten wieder relativiert.
Eine letzte Anmerkung aus dem Alltag mit einem Reboarder, auch wenn es dazu kein Vorurteil gibt: durch die Ausrichtung des Kindersitzes im Auto braucht man in der Regel eine kleinere Parklücke als mit einem vorwärtsgerichteten Sitz. Die „normal“ aufklappbaren Türen müssen viel weniger weit geöffnet werden, um ein Kind in den Reboarder zu setzen.
  

Welche Reboarder gibt es derzeit auf dem Markt?


In der folgenden Tabelle sind alle erhältlichen Modelle zusammengefasst:

  

Zubehör


Um sein Kind in der Babyschale und im Reboarder gut sehen zu können, empfehle ich gerne einen Rückspiegel für die Kopfstütze. Besonders gut gefällt mir der Spiegel mit Licht und Fernbedienung von diono da man durch das schaltbare Licht auch in der dunklen Jahreszeit oder bei nächtlichen Fahrten einen Blick aufs Kind werfen kann, ohne permanent ablenkendes Licht im hinteren Fahrzeugteil eingeschaltet zu haben.
Ein weiteres sinnvolles Zubehör ist eine Schutzfolie für die Rückenlehne, damit man dem Kind für Autofahrten die (dreckigen) Schuhe angezogen lassen kann.
 

Aber in den Kindersitztests…

 
Viele Eltern vertrauen Kindersitztests wie den Tests des ADAC/der Stiftung Warentest. Da das Gesamtergebnis eines Sitzes aber immer aus verschieden gewerteten Kriterien zusammengesetzt ist, schauen wir uns diese einmal genauer an, damit jeder selber beurteilen kann, ob er das Gesamtergebnis so für sich übernehmen will oder die Punkte für sich entsprechend beurteilen will. 
Der Einbau von Reboardern ist aufwändiger und damit fehlerträchtiger als der anderer Sitze. Reboarder haben zusätzlich zur Befestigung mit Isofix/Fahrzeuggurt noch einen Stützfuß und zum Teil Zusatzgurte. In der Regel verbleibt aber der installierte Kindersitz fest im Auto, so dass der Einbau recht selten vorkommt. Beim Einbau von Kindersitzen egal welcher Richtung ist es aber so, dass man mit jedem Mal mehr Routine bekommt und es einem dann leicht und sicher von der Hand geht. Wenn man sich gewissenhaft an die Anleitung hält und ggf. die Herstellervideos im Internet zur Hilfe nimmt, schafft man den Einbau eines Reboarders auch ohne einen Händler in der Nähe, der einem hilft.
Zur Vereinfachung des Umbaus bieten viele Hersteller von Reboardern mit Zusatzgurten auch Zweitgurte an, so dass der „fummeligste“ Schritt beim Wechsel dann entfällt. Oder man sucht einen Reboarder mit einer Basis aus, so dass man wie bei den Babyschalen mit Basis immer nur einen Teil des Sitzes mit wenig Aufwand umbauen muss.
Wenn man sich nun die Crashtest-Ergebnisse anschaut, stellt man mit Schrecken fest, dass auch dort einige Reboarder eher mäßig abschneiden. Das liegt daran, dass viele Reboarder, die bisher getestet wurden, vorwärts und rückwärts nutzbar sind. Der ADAC/die Stiftung Warentest veröffentlichen allerdings nur das Ergebnis des schlechtesten Crashtests, das ist meist das Ergebnis des vorwärtsgerichteten Tests.
Aber auch im Seitencrash beim rückwärtsgerichteten Einbau schneiden Reboarder oft schlechter ab als vorwärtsgerichtete Sitze. Dazu gibt es eine einfach Erklärung: Crashtests haben feste Testanordnungen bezogen auf den Crashpunkt am Auto, nicht bezogen auf den getroffenen Punkt am Sitz. Der Seitencrash trifft das Auto an der B-Säule.  Durch die Anordnung im Auto wirken daher auf den Reboarder westentlich größere Kräfte als auf einen vorwärtsgerichteten Sitz.
Der PLUS-Test ist ein schwedischer Kindersitztest, der besonders auf die Belastungen von Kopf- und Nackenbereich beim Frontalaufprall Wert legt. Diesen Test können nur ausschließlich rückwärts gerichtet nutzbare Kindersitze bestehen, weil die Grenzwerte für die Belastung so niedrig angesetzt sind, dass ein vorwärtsgerichtet genutzter Sitz eine zu hohe Belastung hat.
 

i-size

 
Im Juli 2013 trat eine neue EU-Norm für Kindersitze in Kraft, die ECE R129, in der Regel unter dem Schlagwort "i-size" bekannt. Sie bedeutet nicht, wie vielerorts behauptet wird, dass Reboarder jetzt Pflicht (für den Nutzer) sind.
Aber die neue Norm trägt dem Umstand Rechnung, dass rückwärtsgerichtetes Fahren sicherer ist. Daher müssen neu zugelassene Kindersitze mit Isofix bis 15 Monate rückwärts nutzbar sein. In Zukunft werden Kindersitze nicht mehr nach Gewicht, sondern nach Körpergröße eingeteilt.
Zusätzlich gehört zur Zulassung nach i-size ein Seitenaufpralltest, für die Zulassung nach der „alten“ ECE-Zulassung sind nur Frontalaufprall und Heckaufprall notwendig.
Aktuell gilt aber die alte Kindersitznorm parallel weiter und „alte Sitze“ dürfen weiter genutzt und auch verkauft werden. Einige der bereits bekannten Sitze auf dem Markt mit ECE-Zulassung würden auch eine Zulassung nach i-size bekommen, da sie die Anforderungen ebenso bestehen würden.
i-size-Sitze dürfen nur in Fahrzeuge eingebaut werden, die entweder einen i-size-fähigen Sitzplatz haben (dies steht im Fahrzeughandbuch) oder die auf der Typenliste des Sitzes stehen. 
 

Ein Wort noch zu „Pseudo-Reboardern“

 
Mit dem Begriff „Pseudo-Reboarder“ sind Sitze gemeint, die für die Verwendung 0-18 kg beworben werden, aber bei denen man dann im Kleingedruckten liest, dass sie ab 13kg vorwärtsgerichtet genutzt werden müssen. Diese Sitze haben in der Regel keinen Stützfuß und keine Zusatzgurte und sind im Vergleich zu normalen Reboardern vergleichsweise günstig.
Ein Vorteil dieser Sitze liegt sicher darin, dass die Sitzschale so lang ist, dass man ihn wirklich bis 13kg ausnutzen kann. Denn in der Regel scheitert die Weiterbenutzung der Babyschale nicht am Gewicht des Kindes, sondern an der Körperlänge.
Ab und an schreiben Eltern auch, dass sie durch Kontakt mit dem Hersteller erfahren haben, dass diese Sitze auch länger rückwärts genutzt werden können. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Kinder dann nicht ordnungsgemäß gesichert sind, was zum einen ein Verwarnungsgeld oder Bußgeld und Punkte in Flensburg nach sich ziehen kann. Im Falle eines Unfalls könnte man wegen der unsachgemäßen Sicherung auch Probleme mit der Versicherung bekommen.
© Lucccy

Quellen



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