
Warum das so ist, haben wir im ersten Teil unserer Serie zur kindlichen Kooperation ausführlich erklärt. Im zweiten Teil gingen wir darauf ein, wie wir unsere Kinder ganz allgemein wieder zum kooperieren bringen können. Ergänzt wurde dieser Text mit Teil 3 der Serie, in der ich tagebuchartig verbloggte, wie viel ich und meine Kinder am Morgen kooperieren. In den folgenden Artikeln wollen wir alltägliche Situationen betrachten, die früher oder später in fast allen Familien zu Konflikten führen:
- Mein Kind will nicht die Treppe allein hochlaufen
- Mein Kind wirft andauernd Teller, Becher oder Essen auf den Boden
- Mein Kind läuft immer weg
Wir haben einige Tipps und Tricks aufgeschrieben, die unseren Kindern die Kooperation im Alltag ein wenig zu erleichtern. Dazu beschreibe ich zunächst typische Probleme, gehe auf ihre möglichen Gründe ein und schlage ein paar praktische Lösungen vor, die euch helfen könnten.
Mein Kind will nicht allein die Treppe hochlaufen und immer getragen werden
Wer in einem Haus ohne Fahrstuhl wohnt, kennt wohl den fast täglichen Kampf - die Kinder wollen die Treppe nicht selbst hochlaufen. Manche weigern sich, auch nur fünf Stufen selbst zur Toilette hoch zu gehen und verlangen mit soldatenartigem Befehlston von den Eltern, sie mögen sie gefälligst dorthin tragen. Auch beim morgendlichen Abgeben in der Kita sehe ich oft Kinder, die vor der Treppe kapitulieren und ihre Ärmchen den entnervten Eltern entgegen strecken.
Gründe für das Verhalten
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wir wohnen in der zweiten Etage und ich finde es schon anstrengend, die Stufen jeden Tag mehrmals hoch- und runterzulaufen. Nun überlegt euch mal die körperlichen Relationen - für mich sind die Stufen etwa knöchelhoch, für meine Fünfjährigen gehen sie bis zur Wade, mein Eineinhalbjähriger muss seine Beinchen fast bis zum Po hochheben, um sie zu bewältigen. Ist es da ein Wunder, dass unsere Kinder das zu anstrengend finden? Nein!
Auch in der Kita sind die Stufen eher in Erwachsenenrelationen gebaut, es ist also kein Wunder, wenn die Kinder auch dort ihre Eltern bitten, sie hochzutragen. Hinzu kommt, dass sie wissen, dass sie gleich für ein paar Stunden Abschied von Mama oder Papa (oder Co-Mama) nehmen müssen und sie die Treppenzeit noch einmal zum Kuscheln und Krafttanken nutzen wollen.
Bei den oben erwähnten Stufen zur Toilette stehen andere Bedürfnisse im Vordergrund: Wenn Kinder wegen einer sehr leichten Aufgabe oder etwas anderen Banalem anfangen, zu kreischen, heulen und die Eltern anzuschnauzen (wie eben den fünf Stufen zur Toilette), dann hat das selten etwas mit dem Auslöser zu tun, sondern hat andere Ursachen. Meist ist es innerer Stress oder sie sind müde oder hungrig und suchen einen Reibepunkt mit den Eltern, um explodieren zu können. Das ist eine für Eltern sehr anstrengende Technik des Stressabbaus, für die Kinder jedoch sehr effektiv. Man könnte in einem solchen Fall die Kinder einfach hochtragen, aber dann würden sie vermutlich einen anderen Reibepunkt suchen. Sie würden dann so lange wegen Nichtigkeiten pöbeln, bis die Eltern endlich dagegenhalten. Das hat nichts mit Grenzen testen oder frech sein zu tun, sondern wieder mit Psychohygiene. Die Eltern müssen als Blitzableiter fungieren (also sich weigern, das Kind die fünf Stufen zu tragen) und den darauffolgenden Wutanfall empathisch begleiten. Ist das Gewitter vorüber und der innere Stress abgebaut, werden die Kinder die kleine Treppe hinauflaufen, als sei nichts geschehen.
Wenn ihr es körperlich schafft, dann tragt euer Kind hoch. Punkt. Der Wunsch, die Treppe nicht allein laufen zu müssen, nimmt proportional ab zu der Länge der Beine. Während meine damals 2-jährigen Töchter beinahe jeden Tag danach fragten, ist es seit dem 4. Geburtstag fast gar nicht mehr vorgekommen.
Als wir schwanger in unsere Wohnung einzogen, wohnte über uns in der dritten Etage ein kleiner Zweijähriger, der jeden Tag Zeter und Mordio schrie, weil er die Treppen nicht hochlaufen wollte, seine Mutter sich aber weigerte, ihn zu tragen.
Ich malte deshalb für ihn sieben Bilder von großen Autos, laminierte sie und hing sie immer an den höchsten Punkt eines Treppenabsatzes. Man konnte das Bild vom unteren Ende des Treppe zwar schon sehen, es aber nicht genau erkennen. Wie ich erhofft hatte, motivierten ihn die Bilder so sehr, dass er plötzlich ohne Geschrei die Treppen hoch lief - immer von einem Bild zu anderen. Dann blieb er davor stehen, betrachtete es, schaute hoch zum nächsten und lief weiter.
Bei den oben erwähnten Stufen zur Toilette stehen andere Bedürfnisse im Vordergrund: Wenn Kinder wegen einer sehr leichten Aufgabe oder etwas anderen Banalem anfangen, zu kreischen, heulen und die Eltern anzuschnauzen (wie eben den fünf Stufen zur Toilette), dann hat das selten etwas mit dem Auslöser zu tun, sondern hat andere Ursachen. Meist ist es innerer Stress oder sie sind müde oder hungrig und suchen einen Reibepunkt mit den Eltern, um explodieren zu können. Das ist eine für Eltern sehr anstrengende Technik des Stressabbaus, für die Kinder jedoch sehr effektiv. Man könnte in einem solchen Fall die Kinder einfach hochtragen, aber dann würden sie vermutlich einen anderen Reibepunkt suchen. Sie würden dann so lange wegen Nichtigkeiten pöbeln, bis die Eltern endlich dagegenhalten. Das hat nichts mit Grenzen testen oder frech sein zu tun, sondern wieder mit Psychohygiene. Die Eltern müssen als Blitzableiter fungieren (also sich weigern, das Kind die fünf Stufen zu tragen) und den darauffolgenden Wutanfall empathisch begleiten. Ist das Gewitter vorüber und der innere Stress abgebaut, werden die Kinder die kleine Treppe hinauflaufen, als sei nichts geschehen.
Lösungen für das Verhalten
1. Das Kind einfach hochtragen
Wenn ihr es körperlich schafft, dann tragt euer Kind hoch. Punkt. Der Wunsch, die Treppe nicht allein laufen zu müssen, nimmt proportional ab zu der Länge der Beine. Während meine damals 2-jährigen Töchter beinahe jeden Tag danach fragten, ist es seit dem 4. Geburtstag fast gar nicht mehr vorgekommen.
2. Bilder an jeden Treppenabsatz anbringen
Als wir schwanger in unsere Wohnung einzogen, wohnte über uns in der dritten Etage ein kleiner Zweijähriger, der jeden Tag Zeter und Mordio schrie, weil er die Treppen nicht hochlaufen wollte, seine Mutter sich aber weigerte, ihn zu tragen.
Ich malte deshalb für ihn sieben Bilder von großen Autos, laminierte sie und hing sie immer an den höchsten Punkt eines Treppenabsatzes. Man konnte das Bild vom unteren Ende des Treppe zwar schon sehen, es aber nicht genau erkennen. Wie ich erhofft hatte, motivierten ihn die Bilder so sehr, dass er plötzlich ohne Geschrei die Treppen hoch lief - immer von einem Bild zu anderen. Dann blieb er davor stehen, betrachtete es, schaute hoch zum nächsten und lief weiter.
Ab und zu änderte ich die Bilder, damit er wieder eine neue Motivation hatte. Ich malte zum Beispiel Bilder von Tieren - ich fing mit einer kleinen Ameise an und endete bei einem riesigen Wal. Mit jedem Treppenabsatz wurde das gezeigte Tier ein wenig größer und auch die Blattgröße änderte sich. Ich malte auch Spielzeuge und fügte auf jedem Blatt immer eins mehr dazu. Auf der untersten Treppe war also ein Spielzeug auf dem Blatt, auf der obersten waren es sieben Spielzeuge.
Für meine Töchter hob ich die Blätter auf und hing sie, als sie Treppe laufen doof fanden, wieder auf. So konnte ich z. B. sagen: "Lauf schon mal bis zum Spatz und dann trage ich dich von dort bis zur Katze." Das klappte wunderbar.
Bei meinem Sohn, der jetzt 1,5 Jahre alt ist, gibt es zwar noch kein Treppenlaufenverweigern, aber es hat sich jetzt schon - mehr aus Zufall - ein ähnliches Ritual wie mit den Bildern eingeschlichen. Bei uns im Hausflur gibt es nun "Schmetterlinge", die, weil sie einen Magnetfuß haben, von allen Bewohnern des Hauses mal hierhin, mal dorthin gesetzt werden. Diese Schmetterlinge waren eigentlich für das Zimmer meiner Töchter gedacht, sie wollten sie aber nicht (wie ich geplant hatte) an ihrer Lampe haben.
Also sortierte ich sie aus. Eines Tages fand sich einer der Schmetterlinge auf dem Boden im Hausflur. Vermutlich hatte mein Sohn die Tüte mit den aussortierten Sachen gefunden und den Schmetterling herausgenommen und mitgeschleppt. Ich setzte das Plastiktier an einen Nagel in der Wand. Das gefiel meinen Nachbarn so, dass sie für den Falter immer neue magnetische Standorte im Haus fanden. Das wiederum fanden meine Kinder so lustig, dass sie für jede Etage unseres Hauses einen Schmetterling aus der Tüte nahmen. Nun haben wir also eine Handvoll Schmetterlinge im Haus, die wie von Geisterhand täglich die Standorte wechseln und zehn Hausbewohner-Kinder, die die Treppen hochflitzen, um diese zu suchen.
Für meine Töchter hob ich die Blätter auf und hing sie, als sie Treppe laufen doof fanden, wieder auf. So konnte ich z. B. sagen: "Lauf schon mal bis zum Spatz und dann trage ich dich von dort bis zur Katze." Das klappte wunderbar.
Bei meinem Sohn, der jetzt 1,5 Jahre alt ist, gibt es zwar noch kein Treppenlaufenverweigern, aber es hat sich jetzt schon - mehr aus Zufall - ein ähnliches Ritual wie mit den Bildern eingeschlichen. Bei uns im Hausflur gibt es nun "Schmetterlinge", die, weil sie einen Magnetfuß haben, von allen Bewohnern des Hauses mal hierhin, mal dorthin gesetzt werden. Diese Schmetterlinge waren eigentlich für das Zimmer meiner Töchter gedacht, sie wollten sie aber nicht (wie ich geplant hatte) an ihrer Lampe haben.

Wann das Treppe allein hochlaufen zu viel verlangt ist
Ich wurde einmal um Rat gebeten in einer Situation, die für die Mutter sehr anstrengend gewesen war. Sie hatte eine 20 Monate alte Tochter und wohnte in der dritten Etage. Normalerweise holte sie ihre Tochter nachmittags aus der Kita ab und nach einem kleinen Spaziergang gingen sie hoch in ihre Wohnung. Sehr oft bat die Tochter darum, hochgetragen zu werden, was die Mutter meist auch tat.
An diesem einen speziellen Tag gingen die beiden aber noch kurz zum Blumenladen und kauften Erde und Balkonpflanzen. Die Mama war also ordentlich bepackt - beide Hände waren voll. Deshalb bat sie ihre Tochter, an der Treppe angekommen, heute allein hochzulaufen. Statt einfach zu kooperieren, wie die Mutter gehofft hatte, fing das Mädchen barbarisch an zu kreischen und hatte einen riesigen Tobsuchtsanfall, weil sie die Stufen nicht allein hochlaufen wollte. Dieser Anfall dauerte eine halbe Stunde! Es ging nicht vor und nicht zurück - nichts, was die Mutter als Alternative anbot, wurde akzeptiert. Das Mädchen schrie und schrie - sie wollte auf den verdammten Arm!
Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass die Mutter das unglaublich wütend machte. Schließlich hatte sie ihre Tochter doch schon oft genug hinaufgetragen. Sie sollte nur dieses eine Mal kooperieren, schließlich sah sie doch, dass die Mama beide Hände mit schweren Sachen voll hatte!
Das Problem an der Sache: Das Kind konnte in diesem Moment nicht kooperieren, weil es in seinem Kopf darauf eingestellt war, dass die Mutter es die Treppe hinauftragen würde. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir Erwachsenen immer im Hinterkopf behalten müssen, wenn wir mit Kleinkindern ein Kooperationsproblem haben. In vielen Fällen fehlt in einen bestimmten Moment die Kooperationsbereitschaft, weil das Gehirn noch nicht in der Lage ist, flexibel auf Veränderungen in einer Routine zu reagieren!
Ganz häufig sieht man das, wenn etwas Unerwartetes geschieht - zum Beispiel, wenn ein Keks beim Herausnehmen aus der Packung zerbricht. Wie viele Kinder lagen deshalb schon wütend auf dem Boden? Fast alle. Denn das flexible Reagieren auf eine Änderung ist eine kognitive Leistung, die erst mit steigendem Alter (und verbundenen neuronalen Bahnen) und viel, viel Übung gemeistert werden kann. Haben Kinder erst einmal ein Programm in ihrem Kopf gestartet ("Ich nehme einen ganzen Keks aus der Packung und esse ihn dann."), können sie dieses nicht oder nur schwer unterbrechen oder abändern.
Sie war auch vom Alter her noch nicht in der Lage, voraus zu sehen, dass die eben gekauften Pflanzen und die Erde der Grund sein würden, dass das Hinauftragen verweigert werden würde. Diesen Zusammenhang konnte sie aufgrund der noch fehlenden neuronalen Verschaltungen im Gehirn einfach noch nicht herstellen. Sie konnte sich auch nicht in die Situation der Mutter hineinversetzen, denn auch dieser kognitiver Meilenstein fehlte noch.
Was hätte besagte Mutter nun tun können? Sie hatte drei Möglichkeiten, zwei davon sind aber nur wenig praktikabel.

Sie hätte bei einer Nachbarin klingeln und diese bitten können, die Einkäufe hochzutragen. (So ist es in Wirklichkeit auch geschehen. Allerdings hatte die Nachbarin das Geschrei gehört und war nach einer halben Stunde von selbst gekommen, um zu helfen.) Aber was, wenn kein Nachbar da ist?
Sie hätte den Wutanfall des Kindes aushalten, abwarten und begleiten können. Das Gehirn war aufgrund der Änderung einfach in die Krise geraten und musste nun durch den Wutanfall diesen inneren Stress abbauen. Wenn man das als Erwachsener weiß, ist das Begleiten gar nicht mehr so schwierig, weil man mit echtem Mitgefühl daneben sitzt und versteht, wie schwer das für das Kind gerade ist. Ist die Krise überwunden, dann kann sich das Kind übrigens auf die neue Situation einstellen - es wird dann allein die Treppe hochlaufen, oder den zerbrochenen Keks doch noch essen. Ich favorisiere diese Alternative, weil sie einen wichtigen Lernprozess beim Kind unterstützt. Allerdings würde ich an schlechten Tagen (also wenn mir die Nerven fehlen) auch einen der beiden leichteren Wege gehen. Sie sind alle drei für das Kind in Ordnung.
Ausblick
Das waren weitere situationsbezogenen Tipps und Tricks in unserer Kooperationsserie. Wir haben uns bereits mit dem Thema alleine Anziehen befasst werden uns in den nächsten Wochen näher mit den Themen Herunterwerfen von Tellern, Bechern oder Essen und Weglaufen des Kindes beschäftigen.
Wenn ihr daran interessiert seid, können wir noch über weitere Situationen schreiben, die euch persönlich beschäftigen. Schreibt und einfach einen Kommentar, womit wir euch helfen können oder auch gerne, welche Tricks bei euch in bestimmten Situationen gut geholfen haben.
© Snowqueen