
Was ist Baby-led weaning?
Baby-led weaning (BLW) kann man mit "babygesteuertem Abstillen" übersetzen kann. Bei dieser Methode der Beikosteinführung wird auf den üblichen Babybrei verzichtet und stattdessen verschiedene Lebensmittel angeboten, die in handgerechte Stücke geschnitten und z. T. weich gedünstet werden (Fingerfood). Im Vordergrund steht dabei der Spaß und die Neugier. Ziel ist nicht, das Kind möglichst schnell an feste Kost zu gewöhnen, sondern es zwanglos an die verschiedenen Lebensmittel heran zu führen und die Freude am Essen zu wecken.
Das Baby entscheidet dabei allein, was es isst und wieviel davon. Hauptnahrungsquelle bleibt - so lange es das Baby möchte ("babygesteuert") - Milch. Beim BLW wird die natürliche Entdeckungsfreude und die kindliche Neugier unterstützt und dadurch in der Regel ein gesundes Verhältnis zur Ernährung unterstützt. Eine Untersuchung der University of Nottingham ergab beispielsweise, dass Kinder durch BLW tatsächlich eine gesündere Ernährungsweise entwickeln, weniger zu Süßem greifen und seltener Übergewicht entwickeln.
Die Angst vor dem Verschlucken
Ergänzung (danke Ori): Gerade beim BLW kann es vorkommen, dass Babys anfangs häufiger würgen. Der Würgereflex wird bei Babys weiter vorne im Mund ausgelöst, als bei Erwachsenen. Dies dient auch dazu zu lernen, wie viel Essen in den Mund passt, ohne dass man sich verschluckt. Das ist normal und sollte nicht als Scheitern des BLW betrachtet werden.
Wichtig ist beim BLW, dass das Kind aufrecht sitzt und weder liegt noch halbaufrecht in einer Wippe sitzt. Das Kind wird Nahrung, die es nicht zerkleinern kann, ausspucken, das ist jedoch ausschließlich im Sitzen möglich. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Kind alleine sitzen kann - ein abgestütztes Sitzen auf dem Schoß oder im Hochstuhl ist ausreichend. Es versteht sich von selbst, dass ein Baby niemals beim Essen allein gelassen werden sollte!
Wie fängt man an?
Den richtigen Zeitpunkt für den Start gibt das Baby vor. Zwar interessieren sich einige Kinder durchaus schon ab etwa 4 Monaten für den Prozess des Essens - in der Regel ist dies jedoch erst mit etwa 6 Monaten der Fall. Für das Baby ist es am schönsten und interessantesten, wenn es mit der restlichen Familie gemeinsam isst und ideal ist es, wenn die anderen auch etwas ähnliches Essen. Beim Baby-led weaning isst das Kind ausschließlich das, was es schafft, sich selbst in den Mund zu stecken - die Eltern bleiben dabei (fast) unbeteiligt.
Im Grunde ist der Start ganz unkompliziert - man sollte sich dabei vor Augen führen, wie die Kinder in den letzten Jahrtausensenden ernährt wurden. Kinder aßen das, was die Natur gerade hergab - in der Regel das Gleiche, wie ihre Eltern. Lange püriert oder schonend schrittweise neue Lebensmittel eingeführt wurde ganz sicher nicht. Damals ging es um das nackte Überleben - Kinder sind evolutorisch darauf ausgelegt, mit Baby-led weaning ernährt zu werden. Etwaige Nährstoffmangel kann immer durch Muttermilch (die parallel gegeben wird) ausgeglichen werden.
Daher kann man ohne weiteres mit einer Vielfalt an Lebensmitteln beginnen - ein paar weich gekochte Nudeln, etwas Brot, weiches Obst (Banane, Birne, Pfirsich ohne Haut, Apfel gedünstet) und ein paar verschiedene frische gedünstete Gemüse - vorzugsweise in Bio-Qualität - all das kann angeboten werden. Idealerweise bekommt das Baby je Mahlzeit eine Auswahl an verschiedenen Nahrungsmitteln, damit es frei wählen kann. Am Anfang sind ein bis zwei Stücken vollkommen ausreichend - alles andere verleitet nur zum runter werfen. Aus dem gleichen Grund ist ein Teller zunächst vollkommen entbehrlich.
Der unbestreitbare Nachteil des BLW ist, dass das Verhältnis zwischen gegessenen und in den Abfall gewanderten Lebensmitteln anfangs vergleichsweise sehr schlecht ist. Man bekommt jedoch sehr schnell ein Gefühl dafür, welche Mengen das Kind isst. Übrig Gebliebenes bei BLW-Mahlzeiten ist übrigens auch für Mama und Papa eine gesunde Nahrungsergänzung ;-).
Es ist nicht erforderlich, die angebotenen Lebensmittel häufig zu variieren - es können (beispielsweise aus einkaufslogistischen Gründen) getrost mehrere Tage lang die selben Nahrungsmittel angeboten werden - müssen aber nicht.
Worauf sollte man achten?
Wichtig ist, dass Nahrungsmittel nie in runder Form angeboten werden sollten. Insbesondere kleine Weintrauben, Blaubeeren, Johannisbeeren, oder auch Erbsen oder Nüsse können in die Luftröhre gelangen, wegen ihrer glatten Oberfläche nicht abgehustet werden und dadurch zum ersticken führen. In der ersten Zeit sollte man also darauf achten, dass die Oberfläche kantig ist, indem man die Lebensmittel halbiert oder etwas platt drückt. Nüsse sind für Kinder grundsätzlich in den ersten 6 Lebensjahren nicht geeignet.

Bitte beachte: Das Kind ist u. U. motorisch noch nicht in der Lage, das Gemüsestück in der Faust zu bewegen, daher wird es keine kompletten Stücken nacheinander aufessen, sondern - wenn es die aus der Faust ragenden Stücke abgenagt hat - diese fallen lassen und sich wieder ein neues großes Stück nehmen. Es kann durchaus vorkommen, dass das Kind dann mit einem Stück in der Hand da sitzt und meckert und man gar nicht weiß, warum überhaupt. Das Öffnen der Faust muss auch erst erlernt werden - daher kann es sein, dass das Kind anfangs dabei noch Unterstützung benötigt.
Eine Zugabe von Zucker, Salz und Gewürzen erfolgt nicht. Ziel ist es, dass das Kind den unverfälschten Geschmack der Lebensmittel kennenlernt. Erst wenn das Kind vom Familientisch mitisst, kann das Essen leicht gesalzen oder gewürzt werden.
Die Beigabe von Fett in Form von Öl oder Butter ist nicht erforderlich aber möglich - beim BLW steigert das Kind die Nahrungsmengen im eigenen Tempo - das in der Regel sehr langsam ist. Daher trinkt es deutlich mehr Milch, als bei der üblichen B(r)eikost und deckt seinen Fettbedarf hauptsächlich über die Milch. Zur besseren Aufnahme der fettlöslichen Vitamine ist es sinnvoll, eine BLW-Mahlzeit mit Stillen zu beenden.
Grundsätzlich ist eine vegetarische Ernährung von Babys unproblematisch. Es ist nicht erforderlich, Fleisch anzubieten - dieses ist ernährungsphysiologisch allenfalls interessant in Bezug auf das Eisen und das Vitamin B12.
Grundsätzlich ist eine vegetarische Ernährung von Babys unproblematisch. Es ist nicht erforderlich, Fleisch anzubieten - dieses ist ernährungsphysiologisch allenfalls interessant in Bezug auf das Eisen und das Vitamin B12.
Leider kursiert noch immer hartnäckig die Annahme durch das Internet und sogar Arztpraxen, dass Stillkinder unter Eisenmangel leiden und daher spätestens nach 6 Monaten unbedingt fleischhaltige Kost gegeben werden sollte. In diesem Artikel kannst Du nachlesen, wie es zu dieser Aussage kam und warum es keinen Grund gibt, Fleisch füttern zu müssen. Der Eisenbedarf kann auch über pflanzliche Nahrung (sehr eisenhaltig sind bspw. Hirse und Haferflocken) gedeckt werden. Das Vitamin B12 kann man durch andere tierische Produkte (Käse, Butter, Eier) und die Flaschen- oder Muttermilch in ausreichendem Maß zuführen. Zwar ist auch immer vom "wichtigen Eiweiß" die Rede, aber mit Eiweiß sind Kinder in der Regel hierzulande leider überernährt, so dass dies kein wirkliches Argument für Fleisch ist.

Isst mein Kind "genug"?
Am Anfang wird das Kind begeistert mit den angebotenen Lebensmitteln spielen und matschen - das ist vollkommen normal. Wenn das Kind die physikalischen Eigenschaften ausreichend erforscht hat, wird es Interesse für den Geschmack entwickeln. Möglicherweise landet bei den ersten Mahlzeiten gar nichts im Mund - über kurz oder lang wird jedoch das eine oder andere Stück seinen Weg in den Magen finden. Dennoch wird der Esstisch anfangs eher einem Schlachtfeld gleichen - bereite Dich mental darauf vor, sei entspannt und überrascht, wie schnell das Kind "ordentlich" essen lernt.
Beikost heißt deswegen BeiKost, weil es sie nebenbei zur Milch geben soll, sonst hieße sie Anstattkost. Milch sollte im ersten Lebensjahr die Hauptnahrungsquelle für Kinder sein - das wird leider wegen der großen bunten Palette an Gläschen, Milchbreien und Babykeksen schnell vergessen. Die Einführung fester Nahrung sollte nach keinem starren Schema erfolgen - Babys wissen im Grunde ganz ausgezeichnet, was und wie viel davon sie brauchen. Das beweisen sie ganz faszinierend beim Baby-led weaning. Schon im Artikel Beikost - Ab wann kann und ab wann soll man etwas anderes als (Mutter)Milch anbieten? habe ich über ein Experiment geschrieben, bei dem 15 vollgestillten Waisenkindern im Alter von sechs bis elf Monaten ein Sortiment aus 34 verschiedenen, mundgerecht zubereiteten Speisen angeboten wurde. Die Kinder stellten ihre Mahlzeiten ausschließlich selbst zusammen. Zu jeder Mahlzeit gab es eine Auswahl von 10 Komponenten wie z. B. Äpfel, Ananas, gekochter Weizen, Hafer, Roggen, Mais, Tomaten, Kartoffeln, Hirn, Knochenmark, Nierchen, gehäckselter Fisch, Eier, Wasser, Orangensaft, Milch usw. Die Kinder zeigten auf die gewünschten Lebensmittel und bekamen diese dann gereicht. Die Essgewohnheiten der Kinder waren unterschiedlich und z. T. sehr außergewöhnlich. Aber: Alle Kinder gediehen, waren gesund (alle Blutwerte lagen im Normbereich) und es traten keine Mangelerscheinungen auf. Kein Kind war dick, keines dünn. Ärzte bescheinigten den Kindern einen überdurchschnittlich guten Gesundheitszustand.
In Bezug auf die Essgewohnheiten habe ich zwei grundverschiedene Kinder - meine Tochter hat schon immer so gut wie alles gegessen und das in beeindruckenden Mengen. Mein Sohn würde sich gerade aktuell mit 20 Monaten am liebsten noch den ganzen Tag von Muttermilch ernähren. Mir ist vollkommen unbegreiflich, wie er es bisher geschafft hat, zuzunehmen und zu wachsen - die Mengen, die er isst sind homöopathisch. Gestern beispielsweise bestand sein Frühstück aus 20 Brombeeren und 10 Johannisbeeren. Zum Mittag hat er 20 Quadratzentimer Brot mit Frischkäse gegessen, zum Abendbrot ein paar winzige Löffel Kartoffelsalat, etwas Bratwurst und 5 Scheiben Gurke. Ein paar Apfel-Schnitze und ein Eis (aus Direktsaft) gab es zwischendurch und damit war er dann zufrieden. Er hat schon immer extrem wenig gegessen - ganz offensichtlich scheint es einfach Kinder zu geben, die tatsächlich nicht viel benötigen. So lange das Kind noch gestillt wird, muss man sich ganz offenbar keine Gedanken machen. Ich bin zuversichtlich, dass er langfristig so viel essen wird, wie er benötigt. dieser Erkenntnisprozess war nicht einfach für mich.
Zum Weiterlesen:
© Danielle
Literatur/Quellen
http://saeugetier.blogsport.de/images/guidelinesblw.pdf
Iburg, Anne: Die besten Breie für Ihr Baby, Trias Verlag
Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen, Kösel Verlag
Bildnachweise
Baby isst Tomate: Daniela B. / pixelio.de
Brokkoli: w.r.wagner / pixelio.de
Gemüse auf dem Markt: Daniel Gehrtz / pixelio.de
Fleisch: Peter Smola / pixelio.de
andere: privat